Less is more – ein langer, langer Erfahrungsbericht ohne Bilder
Jedes Jahr gibt es in Frankfurt die Nacht der Museen. Für 14 Euro kann man eine Karte erwerben, mit der man ab 19 Uhr bis in die frühesten Morgenstunden hinein freien Zutritt zu über 30 Museen in Frankfurt und Offenbach hat. Da mein Mann und ich eine Museumsufercard haben, brauchte ich diesen Obolus übrigens nicht zu entrichten; ich kam mit der Karte so rein. Vor zwei Jahren kostete dieser Spaß übrigens noch zwölf Euro, und damals war ich mit einer Freundin dort. Diesmal machten wir uns getrennt voneinander auf die Socken, da ich auf einen Museumsmarathon keine Lust hatte und an diesem Abend wegen anderweitiger Verpflichtungen auch höchstens drei Stunden Zeit hatte. Hast du Zeit, machst du Plan (oder auch nicht). Here we go…
… Pläne …
Während Sabine vorhatte, unter anderem an einer Führung durch die Bahnhofsmission teilzunehmen, war ich fest entschlossen, mich diesmal auf einen einzigen Veranstaltungsort zu konzentrieren, den ich obendrein noch bequem zu Fuß erreichen konnte, und so fiel meine Wahl auf das Ledermuseum in Offenbach (was ich neulich schon mal erwähnt hatte). Mich reizte der Gedanke, einer Täschnerin beim Anfertigen einer Tasche zuschauen und ihr bei Bedarf auch Fragen stellen zu können. Wie die anderen Museen auch, so warb das Ledermuseum mit einem ansehnlichen Rahmenprogramm, wie zum Beispiel einem Jubiläumsfilm der Firma Gold Pfeil aus den 50er Jahren und Jazzmusik im Foyer. Dass man vor Ort auch etwas trinken und den ein oder anderen Snack zu sich nehmen konnte, ist typisch für diese Veranstaltung. Wo es in diesem Jahr am vollsten werden würde bzw. welches Museum aktuell in der Gunst des Publikums stehen würde, das wusste ich vorher allerdings nicht. Was sich aber immer großer Beliebtheit erfreut, das sind die Schiffchen, die die Besucher von der einen zur anderen Mainseite transportieren – und, nicht zu vergessen, die Busse, mit denen man auf verschiedenen Linien von Museum zu Museum fahren kann. Brauchte ich dieses Jahr nicht, denn ich blieb in Offenbach.
… und ihre Umsetzung …
Ohne Hast machte ich mich auf den Weg, bummelte gemütlich durch die Ausstellung „Taschen!“ und nahm an einer einstündigen Hausführung teil, bei der ich einen bisher noch unbekannten Teil des Museums kennenlernen durfte. Ich wußte ja gar nicht, wie groß unser Museum ist: 4000 Quadratmeter – die kann man unmöglich bei einem einzigen Besuch erkunden. Ich glaube, da muss ich nochmal hin. Nach einem Gläschen Merlot hängte ich mich beschwingt an das Endes einer Führung der Kuratorin durch die Ausstellung „Taschen!“, wo es nicht nur Hand- und Fahrradtaschen aus kleinen Designerbetrieben zu sehen gibt, sondern auch Handschuhe und – was mich besonders beeindruckt hat – sogenannte Pflanztaschen. Das sind aus heller und dunkler LKW-Plane geflochtene quadratische Behälter, die innen ein luftdurchlässiges Vlies haben, damit man dort drin Erde und Pflanzen hineinsetzen und sich seinen eigenen vertikalen Garten anlegen kann. Die hängenden Gärten für das eigene Zuhause oder fürs Büro? Ich finde, das Prinzip hat was und paßt doch toll zum Thema „Urban Gardening“…
… Umleitung – for irgendwie something completely different …
Natürlich konnte man auch einige Stücke von den ausstellenden Künstlern auch kaufen, aber für noch eine Handtasche, und sei sie auch noch so schön und extravagant, habe ich auf längere Sicht keine Verwendung; ich glaube, ich bin eine der wenigen Frauen, die von sich behaupten kann, dass sie genug Handtaschen und Schuhe hat. Aber vielleicht ist das auch nur so ein abgedroschenes Klischee, das durch ständige Wiederholung nicht besser wird. Getretener Quark wird breit, nicht stark – oder was? Vielleicht ticke ich auch etwas anders, weil für mich Schuhe und Taschen zu sogenannten Basics zählen und ich mit Schmuck, Schals oder Tüchern als Accessoires nicht viel anfangen kann.
Dennoch gibt es gewisse Accessoires, für die ich mich immer begeistern kann, und das sind Handschuhe und Gürtel. Zwar besitze ich gar nicht so viel davon, wie man jetzt vermuten könnte, aber wenn ich ein wirklich edles oder ungewöhnliches Stück sehe, schlägt mein Herz höher, und ich fange an, mir vorzustellen, wie es an mir aussieht und ich es in meine Garderobe integrieren kann. Der Haken daran ist nur: Nicht immer gibt es sie in meiner Größe. Und darum sah ich auch davon ab, eines der Paare, die hier verkauft wurden, anzuprobieren – aber ich traf die Dame, von der die Handschuhe sind und die ein Atelier in Frankfurt hat; und nun spiele ich it dem Gedanken, mir ein Paar nach Maß anfertigen zu lassen. Schau’n wir mal, was das kostet. Wo ich an diesem Abend tatsächlich Nägel mit Köpfen machte, war bei der Täschnerin, die auch Gürtel herstellt. Meine Wahl fiel auf einen roten Gürtel mit silberner Schnalle, edel und schlicht und ohne überflüssigen Schnickschnack oder Blingbling. Dass ich so in Kauflaune geraten würde, hätte ich mir auch nicht träumen lassen.
… und wieder Back to the Roots bzw. zu den Plänen …
Ja, mach nur einen Plan – oder entwerfe eine Strategie, so wie wir in den letzten Jahren. Bleibt nur die Frage offen, was aus der besten Strategie wird, wenn dir etwas dazwischen kommt. Wir hatten schon unterschiedliche Herangehensweisen an diese interessante, aber auch gnadenlos überlaufene Veranstaltung, die jedes Jahr wiederkehrt. Als Neuling dachte ich mir „Wow, endlich mal die Gelegenheit, eine tolle Ausstellung zu sehen, in die du sonst nicht kommst, weil dir der Weg dahin zu weit oder der Eintritt zu teuer ist. Und anschließend noch den Abend in einem kleineren Museum bei einem Gläschen Wein ausklingen lassen, das wäre fein.“ Also hatten wir uns rechtzeitig den Veranstaltungsplan geholt, uns über Möglichkeiten des Hinkommens erkundigt und unser persönliches Programm ausgearbeitet. Nur dumm, dass wir nicht die einzigen waren, die sich dieselbe Strategie zurechtgelegt hatten. Dementsprechend voll war es dann auch im Städel – zwar ohne Wartezeit, aber ein Vergnügen war es trotzdem nicht. Den Rest unseres Weges durften wir dann zu Fuß zurücklegen, um frustriert festzustellen, dass auch im Ikonenmuseum fast kein Durchkommen war – beim Rahmenprogramm stapelten sich die Besucher wie die Sardinen in der Büchse. Aber bei den ausgestellten Ikonen war kein Mensch. Toll. Ich glaube, dieser Plan war komplett für die Füße. Für das nächste Mal dachten wir uns eine andere Strategie aus.
Wieder hatten wir beim nächsten Versuch das Programmheft ergattert und ein Programm ausgearbeitet. Diesmal arbeiteten wir uns mit Hilfe der Shuttlebusse von Museum zu Museum vor und suchten Orte aus, die fernab von unseren gewohnten Routen lagen: erst zum Geldmuseum der Deutschen Bundesbank (wo schrecklich laute Musik uns den Besuch verleidete), dann zum Kriminalmuseum, und zum Schluß zurück an den Main – zur Besichtigung der Fischergewölbe. Hier hatte einst die Frankfurter Fischereiflotte ihren Unterstand für ihre Boote. Gut, dass wir mit Wanderschuhen und Taschenlampen bestens ausgerüstet waren. Im Prinzip war somit das Ziel erreicht, etwas neues auszuprobieren. Zwei weitere geplante Highlights konnten wir somit guten Gewissens von der To-Do-Liste streichen, weil hier noch stundenlanges Schlangestehen angesagt gewesen wäre.
Beim Besuch Nummer drei begannen wir mit einem Museum, das vielleicht nicht ganz so hoch in der Gunst der Besucher steht und dennoch hoch interessant ist, wenn man sich für Religion und Geschichte begeistern kann: das Bibelhaus-Erlebnismuseum. Das liegt nicht weit vom Main entfernt und wurde von uns besucht, als die Nacht der Museen ihre Pforten öffnete. Das hatte den Vorteil, dass wir auch unter den ersten waren, die mit einem der vielen Shuttleschiffe über den Main übersetzen konnten, ohne in größeres Gedränge zu geraten. Die Kunsthalle Schirn war zu jener frühen Stunde auch noch nicht überfüllt, und so waren wir guten Mutes, was eine Führung durch den Römer anging. Die fiel leider aus (warum auch immer), und so flanierten wir zum Westhafen-Tower, wo wir uns dann beim halbstündigen Schlangestehen immerhin einen Snack einverleiben konnten. Nur das Warten auf den ewig nicht auftauchenden Bus hätten wir ausfallen lassen können, da wir ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs waren und wir von da störungsfreier nach Hause gekommen wären.
… und was am Ende daraus geworden ist
Ja, mach nur einen Plan und sei ein großes Licht. Was nützt die beste Strategie, wenn man nicht flexibel für spontane Änderungen ist? Letztes Jahr ließ ich die Nacht der Museen gleich ganz ausfallen, weil mir der Starkregen einen Strich durch die Rechnung machte. Da ich schon eine Museumsufercard hatte, musste ich mich wenigstens nicht ärgern, dass ich für ein nicht nutzbares Ticket extra Geld ausgegeben hatte. Meine Freundin erzählte mir hinterher von wunderbar leeren Museen, fehlenden Warteschlangen und einem ausführlichen Programm, das sie sich gebastelt hatte – während ich im Bett lag und meine Wehwehchen verarztete. Und dieses Jahr? Was wurde eigentlich aus ihrem Plan? Ich hatte, wie gesagt, gar keinen bzw. mich nur für dieses eine Museum entschieden, um anschließend eventuell noch der Hochschule für Gestaltung in den Zollamtstudios einen Besuch abzustatten. Aber die Musik, die mir schon am Eingang entgegenschallte, ließ mich die Flucht nach Hause ergreifen.
Diesmal hatte Sabine dagegen Pech. Nicht nur, dass es aussichtlos war, bei der Führung im Hauptbahnhof an Karten zu kommen (es sei denn, man hätte eineinhalb Stundenbei der Bahnhofsmission Schlange gestanden), auch die Schlange vor dem Städel war nicht kürzer. Zum Museum der Eintracht Frankfurt gelangte sie auch nicht, weil kein Bus kam. Dafür gurkte sie mit dem Shuttlebus zum Zoo, statt U- und S-Bahn zu nehmen; hatten wir so ein Gegurke nicht schon bei unserem letzten Besuch? Ach, auch egal – wenigstens entschädigte der Zoo sie für allen Ärger. Ich glaube, das wird nächstes Jahr ein fester Programmpunkt bei mir, denn so ein Tropengewitter bei den Krokodilen hat was.
Und von der Nachricht, dass im Zoo ein süßer, flauschiger Babykiwi zu sehen ist, bin ich ja hin und weg. Da ich jetzt Urlaub habe, werde ich dem Zoo vielleicht in den nächsten Tagen einen Besuch abstatten. Man weiß ja nie, wie schnell so ein Kiwi groß wird, und dann ist er nicht mehr so plüschig.
Merke:
Bei der nächsten Nacht der Museen nur ein Ziel planen, die U- und S-Bahn oder den Regionalexpress nehmen und versuchen, das komplette Programm an diesem einen Ziel zu genießen, auch wenn es einem reizvoll erscheint, noch weitere Orte zu besuchen. Auch in diesem Fall gilt für mich das Motto „Less is more“.