Magische Mottos 2.0 im Juni : Don’t !

 


Der Juni hat angefangen, und es ist wieder Zeit für ein neues Thema bei den „Magischen Mottos 2017“. Das magische Motto, das Paleica  am 1. Juni vorgegeben hat, lautet:

Don’t !

Huch! Äh, was will der Künstler wohl damit sagen? – aber das Rätsel soll von folgendem Zitat auf Paleicas Blog gelüftet werden:

Der Begriff beschreibt folgendes: es gibt ‚Regeln‘ und ‚Ratschläge‘, worauf man bei einem ‚guten‘ Foto achten sollte. Ich sage euch: alles Blödsinn! Fotografie ist Kunst und in der Kunst ist alles erlaubt. Darum sucht euch eines dieser „Don’ts“ aus oder schaut euch in eurem Archiv um. Welche Bilder missachten wichtige fotografische Regeln – und sind für euch dennoch gelungene Bilder?“

und

Ihr kennt sicherlich auch ein ‚Don’t“‘ Fotografiert nicht aus dieser oder jener Perspektive. Setzt die Schärfe nicht da oder dort hin. Belichtet nicht über oder unter. Keine stürzende Linien. Harte Schatten. Positionierte Motive. Ich bin kein Theoretiker, aber es gibt unendlich viele dieser Ratschläge. Und sie zu missachten macht den größten Spaß!“

So weit zu der Aufgabe. Ein „Don’t“, das mir vor Urzeiten der Leiter eines Fotokurses beibringen wollte, war: Fotografiere niemals bei langen Belichtungszeiten aus der Hand. Alles, was länger als 1/50 s belichtet wird, sollte mit einem Stativ fotografiert werden – sonst wird das ganze Bild verwackelt.

Das konnte ich gut nachvollziehen, als ich noch mit analogen Kameras fotografierte, denn es trat genau das ein, was der Kursleiter vorhergesagt hatte, als ich die Belichtungszeit zum Spaß länger als eine Sekunde an der Kamera eingestellt hatte: Das Bild war verwackelt. Fortan suchte ich mir in Ermangelung eines Stativs eine feste Unterlage und verwendete einen Drahtauslöser.

Mein Aha-Erlebnis, dass es auch anders geht, hatte ich 2012 bei der Luminale in Offenbach am Main, als ich sah, welche Ausrüstung andere Fotografen dabei hatten. Stative, riesige Objektive und noch größere Kamerataschen – im Gegensatz zu mir, mit meiner kleinen Kameratasche, in der sich außer meiner digitalen Spiegelreflexkamera und ein paar Ersatzakkus nichts mehr befand. Keine zusätzlichen Objektive, kein Stativ, keine Filter… kurzum: Ich war echt minimalistisch unterwegs und wollte ausprobieren, wie weit ich mit dem Aus-der-Hand-Fotografieren kommen würde.

Zunächst versuchte ich mich an unbewegten Motiven. Als erstes Testobjekt fungierte die Lichtinstallation „Sublime Landschaft“ auf dem Hafengelände, danach versuchte ich mich auf einem von innen beleuchteten Wagon, der ebenfalls auf dem damals noch unbebauten Hafengelände stand. In Frankfurt war ich auch unterwegs und übte mich an dem „Ei“, das an der Hauptwache stand, und im Inneren der Katharinenkirche. Und hier sind die Ergebnisse.

Sublime Landschaft

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Belichtungszeit:  1/1000 sek. – so weit ist alles klar. Hier kann nichts verwackeln.

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Belichtungszeit:  1/80 sek. – schon wesentlich kürzer, aber man sieht immer noch, wie dunkel es schon war.

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Belichtungszeit: 1/6 sek – das gleißende Licht verstärkt die Dunkelheit der Umgebung

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Belichtungszeit: 1/2 sek. – Jetzt gehen wir in die Vollen. Das Licht sorgt für Unschärfe in der Umgebung, aber verwackelt ist immer noch nichts.

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Belichtungszeit: 2.5 sek. – der krönende Abschluß.

Wagon

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Belichtungszeit: 1 sek. – Dass es ein Wagon ist, kann man nur anhand der Fenster erahnen – die Umrisse sind trotz längerer Belichtungszeit nicht zu erkennen.

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Belichtungszeit: 6 sek. – Jetzt kann man den Wagon erkennen, aber das Bild ist so verwackelt, dass die meisten Fotografen es wohl als Ausschuss im Papierkorb versenken würden, aber genausogut könnte man es auch unter der Rubrik „moderne Kunst“ veröffentlichen.

Ei“

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Belichtungszeit: 1/15 sek. – etwas kontrastarm, aber nicht verwackelt.

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Belichtungszeit: 3.2 sek. – Bright Lights, Big City; beim genaueren Hinsehen offenbaren sich die Unschärfen.

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Belichtungszeit: 1/50 sek. – So ein Foto hätte mein Kursleiter bestimmt als Musterexemplar für die kürzestmögliche Belichtungszeit zum Fotografieren aus der Hand ausgewählt.

Katharinenkirche

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Belichtungszeit: 1/3 sek. – das letzte unbewegte Motiv. Auf den nächsten beiden sind sich bewegende Personen zu sehen…

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Belichtungszeit: 1 sek. – das Motiv an sich ist nicht verwackelt, aber die Personen auf dem Bild erscheinen verwischt.

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Belichtungszeit: 2.5 sek. – Die Tür geht auf, und alles – bewegte und unbewegte Teile im Bild – erscheint verwischt.


Das waren dann doch mehr Bilder, als ich hier ursprünglich zeigen wollte. Aber sie liefern den Beweise, dass mein Kursleiter nur bedingt recht hatte. Ich halte es für möglich, längere Belichtungszeiten auszuwählen, wenn ich auf das Stativ verzichten möchte. Aber ab zwei Sekunden kann ich für „gestochen scharfe“ Bilder nicht mehr garantieren.

Zu den anderen Don’ts wie Gegenlichtaufnahmen, zu harte Schatten oder zentral plazierte Motive möchte ich daher nichts beitragen. Denn ein Don’t ist mehr als genug.

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