Die Rundreise lag nun hinter mir – bis zu meinem Abflug blieben mir noch zwei ganze Tage in
Toronto
der Stadt, von der ich zwar einiges gesehen hatte, aber nicht das, was ich mir insgeheim vorgenommen hatte. Dazu gehörten nicht nur ein Museumsbesuch und eine Fahrt zu den Toronto Islands, sondern auch der Versuch, an Karten für eine Show zu gelangen.
Andere waren spontan mehr für Baseball zu haben, da die Blue Jays ein großes Spiel hatten (wofür auch kräftig die Werbetrommel gerührt wurde) – aber mit Sportveranstaltungen kann man mich jagen. Lieber laufe ich selbst, als anderen dabei zuzusehen, wie sie einem Ball, Ei oder Puck nachjagen, sei es Fußball, Baseball, Rugby oder Hockey, von Basketball ganz zu schweigen.
Was Basketball betrifft, gab es am Freitag lange Schlangen vor einem Laden, der die neuesten Air-Jordan-Sneakers feilbot. Die Massen an Leuten mit Campingstühlchen, die von Polizisten und Security bewacht wurden, erinnerten mich an den Hype, wenn ein neues i-phone auf den Markt kommt und jeder als erster so ein Teil haben will.
The Monster Mash
Rette sich, wer kann! So lautete der Untertitel der Sonderausstellung „It’s alive“ im Royal Ontario Museum. Von solchen Ausstellungen erfahre ich grundsätzlich erst vor Ort, und in diesem Fall verbarg sich dahinter eine Wanderausstellung mit dem vollen Titel „Classic Horror and Sci-Fi Art from the Kirk Hammett Collection : July 13, 2019 – January 5, 2020“ – die Exponate bestanden aus alten Horrorfilmplakaten und Filmkostümen, die der Gitarrist von Metallica seit Jahren sammelt.
Dass sich in der Sammlung auch speziell gestaltete Gitarren befanden, war für mich das Tüpfelchen auf dem I.
Gut, dass ich von meinem ursprünglichen Plan abgewichen bin, das Museum nur wegen der asiatischen Kunst und dessen futuristischer Archtitektur zu besuchen.
Besser gesagt, ist das Museum ein alter Bau mit atemberaubenden Details im Foyer, und nur die Fassade des Anbaus ist modern und verzichtet auf vertikale und horizontale Linien.
Und weil’s so schön war, schlug ich dem Regen im Bata Shoe Museum ein Schnippchen, die ideale Ergänzung zu „It’s alive“, denn hier konnte ich die zweifarbigen Schuhe von Bela Lugosi bewundern (auch ein Star des Horrorfilms) –
– und die Stiefel von Elton John.
Diamonds are a girl’s best friends & Some like it hot
Nach so viel Kultur nahm ich mein Lauf- bzw. Walktraining wieder auf. Im Takt der Musik immer schön vorbei an den hochpreisigen Designerläden in der Bloor Street und den CN-Tower zum x-ten Mal erneut im Blick, walkte ich zur Abwechslung mal eine andere Straße zum Hafen hinunter, um mich nach den Abfahrtszeiten der Wassertaxis zu erkundigen. Lange ausdehnen wollte ich meinen Aufenthalt am nächsten Tag auf einer der Toronto Islands auch nicht, denn das Musical in dem wunderschönen „Elgin & Winter Gardens“-Theater wollte ich auf keinen Fall verpassen. Vorher vielleicht noch ein Bierchen im Distillery District… volles Programm.
Kaffee, schwarz, ohne Milch, ohne Zucker, und ohne künstliche Aromen – egal ob im Pappbecher oder nicht – und heiße Musik auf den Ohren, so lässt sich der Nachmittag aushalten. Der Meinung schien auch derjenige zu sein, der in mir die perfekte Begleitung für sein Night Clubbing gefunden zu haben schien und sich gleich meine Handynummer notieren wollte. Well, well, not so quick: Manchmal trügt der Schein, und das Object of Interest hat kein weitergehendes Interesse an einer Fortführung dieses nicht eingetretenen Dates, poor guy., auch wenn Du noch so charmant bist. Aber er nahm’s sportlich und mit Humor. Vielleicht ist ja woanders noch Luft nach oben.
Islands in the stream : just like the old times
Wo es allerdings keine Luft mehr nach oben gab, war mein Smartphone – das signalisierte mir, nachdem ich auf der Centre Island einen nach Futter tauchenden Schwan vor der Skyline von Toronto fotografiert hatte, dass nun der Speicher voll sei. Dumm gelaufen, denn öffnen ließen sich die Dateien auch nicht mehr.
Na gut, den Rest des Tages gab es halt kein Geknipse mehr. Auch gut, erleben wir die verbleibende Zeit wieder so wie früher, als ich noch nicht das Bedürfnis hatte, alles und jeden zu fotografieren, und vom Destillery District, wo es auch sehr gutes Bier gab, hatte ich nun schon Bilder in Hülle und Fülle.
The show must go on: Elgin & Winter Gardens
Daher habe ich auch keine Innenaufnahmen von diesem über hundert Jahre alten Theater, das einen noch immer funktionstüchtigen und von Hand betriebenen Aufzug aus dem Jahr 1913 besitzt – mit Gittertüren, die man von innen zuziehen kann, wie man sie aus alten französischen Filmen kennt.
Angeschaut habe ich mir das kanadische Musical „Come from away“, das auch schon am Broadway aufgeführt worden ist. Die Show war zwar am Donnerstagabend bereits ausverkauft, aber für die Aufführung am Freitagabend gab es noch vereinzelt Karten. Da habe ich doch gerne zugegriffen, auch wenn 75 Dollar nicht das Schnäppchen des Tages waren. Ganz weit vorne zu sitzen und dann eine Show zu genießen, bei der nicht nur die Darsteller durchweg briliant gespielt haben, sondern die Musik mit Einflüssen aus Folk und Country auch noch meinen Geschmack traf, war mir jeden Cent wert.
„Come from away“ hat die Geschichte des kleinen neufundländischen Örtchens Gander zum Thema, das nach dem 11. September 2001 plötzlich 7000 gestrandeten Passagieren, deren Flüge umgeleitet wurden, Unterkunft und Verpflegung gewähren sollte. Auch wenn ich nicht jedes Wort verstanden habe, weil doch ziemlich schnell gesprochen wurde, hat mich die Aufführung mitgerissen, und am Ende gab es Standing Ovations für das gesamte Ensemble, auch für die Musiker, die man die ganze Zeit über gar nicht sehen konnte.
Not enough time : Move on
Wie gerne wäre ich noch länger geblieben, trotz einiger kleiner Pannen wie dem steckengebliebenen Aufzug oder der versehentlich vom Hotel deaktivierten Schlüsselkarte fürs Zimmer. Auch das im Hilton in diesem einen Turm nicht existierende Zimmer oder die Orientierungshilfen im 20. Stock des Chelsea Hotels, die mich an die Dr.-Who-Folge „Götterspeise“ (Praise him) denken ließen, gehören zu den Episoden, die ich mit Humor genommen habe.
Aber irgendwann muss ja jeder einmal nach Hause, und bekanntlich soll man gehen, wenn es am schönsten ist. Wie wahr, denn am Tag der Abreise goss es wie aus Eimern.
Kein schöner Abschied, aber einer der den Flug nach Hause erträglicher machte. Bei dem ich übrigens in der vordersten Reihe der Economy Class sitzen und mit viel Beinfreiheit das Bordprogramm genießen durfte. „Crazy Rich Asians“ zu gucken und dabei dem Kabinenpersonal zuzusehen, wie es den beiden Klassen im vorderen Bereich Champagner und ausgewählte Leckereien serviert, hat seinen ganz eigenen Charme. Mir hat der französische Rotwein aus der Plastikflasche auch gemundet und kam genauso sicher an wie der Rest um mich herum.
PS: Als ich meine Reiseberichte endlich alle komplett hatte, ist mir aufgefallen, dass diese zwei Wochen doch sehr musikalisch geprägt waren. Doch das ist eine ganz andere Story, die in eine andere Kategorie gehört.