30-Days Song Challenge – Day #5

 


 

Day #5 : A song that needs to be played loud

 

So laut, wie ich das gerne hätte, schaffen das weder meine Anlage noch youtube – aber auf dem Tribute-Konzert „We Salute You“ am 27. Dezember 2019 war das kein Problem – AC/DC – Hells Bells (https://www.youtube.com/watch?v=etAIpkdhU9Q)

 

 

Mein Dank geht an aequitasetveritas, durchdie ich von dieser Challenge erfahren habe.

30-Days Song Challenge – Day #4

 

 


 

Heute schreiben wir Tag 4 der 30-Days Song Challenge, vorgestellt von aequitasetveritas – und die Aufgaben haben es echt in sich. Hier musste ich länger grübeln, bis mir jemand eingefallen ist.

 

Day #4 : A song that reminds you of someone you’d rather forget

Gut, dass ich Microsoft Edge nicht nutze, sonst bekäme ich ständig Bilder des aktuellen amerikanischen Präsidenten angezeigt – jemand, an den ich nicht ständig erinnert werden möchte und der deshalb auf der Liste derer, die ich lieber vergessen würde, ganz weit oben steht.

 

 

Gemeint hat Pink in ihrem offenen Brief an Dear Mr. President (https://www.youtube.com/watch?v=wmMS9XVIa00) zwar einen anderen, nämlich George W. Bush – aber man kann nie wissen, wer oder was als nächstes kommt. Pink ist in dem Video übrigens nicht zu sehen. Suchen ist zwecklos.

 

„Broken Strings“ : Chapter 11 – Karaoke 2.0

 

Die Karaoke-Bar ist eröffnet“, alberte Leslie hinter ihrem Mischpult herum. „Bühne frei für Andrea McAllister, the upcoming star of the 21st century mit ihrer ganz eigenen Interpretation von… äh, Mist, jetzt bin ich im Text verrutscht.“

Oh Mann, Leslie. Wir sind doch hier nicht bei Amy MacDonald, die mitten im Konzert ihren eigenen Text vergisst. Ihre Ansage war so over the top, dass Dave grinsen musste, und auch mir ging es nicht anders, ich hoffte nur, dass Kevin sich gut festhielt, um nicht vor Lachen vom Gerüst zu fallen.

„Okay, jetzt hab ich’s. Also, Andie, dann mal los“, rief sie mir zu, während sie sich ein am Bühnenrand abgestelltes Root Beer griff und sich die geöffnete Flasche wie ein Mikrofon vors Gesicht hielt: „Ladies and Gentlemen, Bühne frei für Andrea McAllister, der Newcomerin des Jahres, mit ‚Mother‘ von Florence and the Machine!“

Nanu? Hatten wir uns nicht auf Conjure One geeinigt? Und anscheinend war unser Herumgeblödel von neulich schon vergessen, denn von Journey war auch keine Rede mehr. Also kein Song von denen, wo ich nun Mike Mitchell am Mikrofon vertrat… Ha Ha. Diesen Joke hatte ich mir selbst vermasselt, und nun war es zu spät für eine Korrektur, obwohl – eigentlich vertrat ich ihn ja gar nicht, sondern half nur beim Soundcheck aus.

Okay, dann eben „Mother“, eins meiner Lieblingslieder – sehr zur Verwunderung von Dave und Kevin, denn die hatten eher mit einem Song aus den 80er Jahren gerechnet. Aber warum eigentlich nicht… Protest gab es auch keinen, meinem Ausflug in die Musikwelt auf Probe stand also nichts mehr im Wege. Mit genau null Zuhörern, von meinen Kollegen mal abgesehen. Wie beruhigend, dachte ich, mal sehen, was Leslie aus ihrer Anlage alles herausholen würde. Mehr Bässe und fette Beats rein, die weibliche Gesangsstimme konnte sie ruhig runterdimmen oder ganz wegnehmen, falls das überhaupt möglich war – wir wollten ja schließlich die Mikrofone testen.

Statt des obligatorischen „Test. Test. Test“ übernahm ich Florence Welchs Part

Oh Lord, won’t you leave me. Leave me on my knees. Cause I belong to the ground now And it belongs to thee. And oh lord, won’t you leave me, Leave me just like this. Cause I belong to the ground now. I want no more than this

Wow. Das klang ja so viel besser als wenn ich ihre Lieder beim Autofahren in voller Lautstärke mitsang. Die Akustik in der Halle war besser, als ich erwartet hatte. Und dabei stand ich noch nicht einmal am Mikrofon 1 für die Leading Vocals, sondern arbeitete mich nach Leslies Plan von den Mikrofonen für die Gitarristen über die für Bass und Keyboards zu denen vor, an denen Sue und Madlyn abends stehen sollten. Inclusive dem für Ryan gab es insgesamt acht Mikrofone, und bis wir die alle durch hatten, würde das eine ganze Weile dauern.

How I long for the older, the sun keeps burning deep. Every stone in this city keeps reminding me. Can you protect me from what I want? The love I let in, it left me so lost

So langsam begann ich, Gefallen an diesem Test zu finden. Das „Daumen hoch“ von Leslie und Dave galt zwar eher der Technik als meiner Gesangsdarbietung, dennoch fühlte ich mich motiviert, um richtig Gas zu geben. An Florence Welch kam niemand heran, aber warum sollte ich das Experiment abbrechen und Leslie einen anderen Song aussuchen lassen? Begleitet von dem Text, in dem ich mich in Teilen wiedererkannte, mäanderte ich mich über die gesamte Bühne und wieder zurück an das erste Mikrofon, das ziemlich genau in der Mitte zwischen denen für Mark und Danny stand.

All these couples are kissing and I can’t stand the heat. I lost my shoes and left the party, I wander in the street

Oh ja, das klang ganz nach jenem Abend, mit dem alles angefangen hatte. Hätte ich bloß die Party rechtzeitig verlassen.

Mother, make me, make me a big grey cloud. So I can rain on you things I can’t say out loud

Dinge, die ich nicht aussprechen konnte oder wollte; davon konnte ich ein Lied singen. Warum ich das, was mir auf der Seele lag, nicht aussprechen konnte, sondern lieber durch den passenden Song auszudrücken versuchte, war mir noch immer ein Rätsel. So langsam kam ich mir vor wie das Mädchen in „To look at you“, das zwar wusste, was es fühlte, aber die richtigen Worte nicht finden konnte. „What is the name to call for a different kind of girl who knows the feelings but never the words.“

So. Und das ganze jetzt mit Beleuchtung!“ rief Kevin von oben und unterbrach meine ebenfalls mäandernden Gedanken. Zustimmung von Bradley, der sich um die Steuerung der einzelnen Spots kümmerte: „Ja, damit wir realistische Bedingungen haben.“

So, liebe Andrea. Diese ätherischen Klänge sind ja ganz nett“, schaltete sich Leslie ein.

Oh nein: Nett ist der kleine Bruder von Scheiße.

„Aber jetzt hätte ich doch gerne etwas mit mehr Power!“

Noch mehr Power? Da fiel mir nur noch „Premonition“ oder der Serenity-Remix von „Sleep“ ein. Also doch Conjure One. Warum nicht gleich von Anfang an? Tatsächlich wählte sie den von Jeff Martin gesungenen Bonus-Track, der den Abschluß meiner Playlist bildete. Die schweren Beats des im Original drei Minuten langen Stücks dröhnten durch die ganze Halle und waren nach dem elfengleichen Gesang von eben ein regelrechter Kulturschock. Ambient/Worldbeat? Really? Elektronische Klänge mit Ethno-Touch? Schön, dass meine Kollegen jetzt auch mal andere Seiten von mir kennenlernten.

My soul is a desert when nothing is comfort, sheltered from chaos and sheltered from you

Stimmlich konnte ich mich auch mit diesem Sänger nicht messen, für meine Ohren klang das Resultat jedoch gar nicht so übel, und es war ja auch nur ein Test, niemand außer uns fünf würde dieses Gejaule jemals hören…

Can’t feel you anymore, don’t need you anymore, don’t believe you anymore, I don’t need you anymore

Warum wir diesen ganzen Test erneut durchexerzierten, war zwar die große Preisfrage des Tages, weil wir ja schon festgestellt hatten, dass die acht Mikrofone einwandfrei funktionierten, aber so zu tun, als sei ich Leadsängerin einer Band, machte mir dann doch zu viel Spaß, wie ich insgeheim zugeben musste.

Enough with temptations, illusions are evil. We exist in confusion – soulless and vain

Hier oben zu stehen, war zwar nicht das, was ich jeden Abend gebraucht hätte, aber so zu tun, als wäre ich eine Sängerin, hatte definitiv etwas. Andrea McAllister, the last Rockstar? Yes, my dear – aber die drei Minuten waren gleich um, Zeit für das letzte Mikrofon und die Gelegenheit, mich nochmal so richtig ins Zeug zu legen.

Can’t feel you anymore, don’t need you anymore, don’t believe you anymore, I don’t need you anymore

Gut, dass ich mich drei Meter vom Bühnenrand entfernt befand. Bei der Dunkelheit im Saal und auf der Bühne bestand sehr leicht die Gefahr, die Orientierung zu verlieren und womöglich obendrein noch von der Bühne zu stürzen. Die Verdunkelung war Kevins Idee gewesen, damit Bradley seine Lightshow durchspielen konnte.

Realistische Bedingungen? Zu der Show gehörte auch, dass der Sänger von einem einzigen Spot in bläuliches Licht getaucht wurde. In diesem Fall also ich. Zum ersten Mal bekam ich einen Eindruck davon, wie warm es auf der Bühne wirklich werden konnte. Kein Wunder, dass eine zweistündige Show eine schweißtreibende Angelegenheit war.

Bradley wechselte die Lichtfarbe von Blau über Weiß zu Gelb ließ das Spotlight durch den Saal wandern. Fehlte nur noch Rot. Oder Grün. Noch stand im Saal niemand, aber später würde sich der Bereich vor der Bühne füllen.

It’s broken me down now

Der Spot hatte seine Wanderung beendet und fixierte eine einzelne Person, die an dieser Stelle vorher noch nicht gestanden hatte. Mike. Shit. Wo war der denn jetzt auf einmal hergekommen? Sollten die Proben nicht wesentlich später anfangen. Irritiert zog ich das Mikrofon aus seiner Halterung und bewegte mich drei Schritte vorwärts, während ich ihm direkt in die Augen sah…

This hurts and it’s hopeless

Schon seltsam, dass dieser Text so gut passte wie die berühmte Faust aufs Auge? Mit ihm etwas anzufangen, war sinnlos und hatte keine Zukunft.

♫  Can’t look to the future. The window is stained. Can’t feel you anymore, don’t need you anymore, don’t believe you anymore, I don’t need you anymore

Ob die Message angekommen war, konnte ich seiner Reaktion nicht entnehmen. Es hätte aber auch nichts daran geändert, dass ich nur noch weg wollte und das Mikrofon gar nicht erst wieder in der Halterung befestigte, sondern es auf dem Boden ablegte, bevor ich die Bühne verließ und im Dunkel verschwand.

Der Wein roch wie Pinselreiniger und schmeckte auch so. Was für eine Plörre. Aber um mich zu besaufen, war er genau das Richtige. Hoffentlich gab das einen ordentlichen Kater am nächsten Morgen, der alles andere übertünchte, wie zum Beispiel den Schmerz. Better to have a hangover than being lovesick – aber dann „Better not – denn Blau ist nur als Farbe schön“. Typisch. Dann, wenn’s drauf ankam, einen Rückzieher machen.

Wenn ich nur an meinen wenig heldenhaften Abgang dachte, nachdem Mike plötzlich im Scheinwerferlicht gestanden hatte, wo ich mir da oben auf der Bühne anfangs so überaus mutig vorgekommen war. An das, was danach folgte, konnte ich mich nur bruchstückhaft erinnern, aber an eins auf jeden Fall – nämlich dass mir ein Besäufnis aus Frust mit einem Mal verlockend erschienen war. Aber nicht mal das bekam ich hin…

Wieder und wieder spulte mein Hirn diese Szene vom Abend zuvor ab. Mein Blick wanderte zum Radiowecker hinüber, dessen leuchtend rote Ziffern 3:43 Uhr anzeigten, während Leslie leise vor sich hin schnarchte. Um ihren festen Schlaf beneidete ich sie wirklich; im Gegensatz zu ihr wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Quälend langsam verging die Zeit, und am Ende, nachdem ich mindestens eine Stunde lang vergeblich versucht hatte, wieder einzuschlafen, richtete ich mich mühsam auf.

Oh, wie gut, dass ich das mit dem australischen Fusel doch noch gelassen hatte; ich fühlte mich auch so schon gerädert genug. Alle Knochen taten mir weh. Verdammter Muskelkater! So schlimm war er doch vorher nicht gewesen. Ächzend schleppte ich mich ins Bad und betrachtete mich im Spiegel. So wie meine Arme schmerzten, musste ich Schultern wie ein Preisboxer haben, aber Fehlanzeige. Statt dessen prangten frische blaue Flecken an den Stellen, an denen mich Frank so grob angefasst hatte.

Das hatte mir gerade noch gefehlt. Zum Verarzten war nach der kurzen, aber heftigen Konfrontation wegen der vielen Schlepperei keine Zeit geblieben, und später hatte ich mich auf andere Dinge als auf mein Wohlbefinden konzentriert. Dafür aber spürte ich die Folgen jetzt umso mehr. Auch mein Rücken sah nicht besser aus: Kratzer und Abschürfungen, die von der Wand stammten. Mit einem T-Shirt drüber würde es gehen. Und über das Verdecken der Blessuren an meinen Oberarmen konnte ich mir bei einem warmen Bad noch Gedanken genug machen.

5:27 Uhr – um diese Zeit die Wanne füllen und womöglich Leslie aus dem Schlaf reißen? Keine gute Idee. Also schlüpfte ich in meinen Badeanzug, der über der Duschvorhangstange zum Trocknen hing. Der verdeckte zwar die schlimmsten Stellen nur notdürftig, aber erstens war ich alleine im Pool und zweitens war es noch dunkel. Falls doch noch jemand rein zufällig unterwegs war (was ich nicht glaubte), würde er oder sie das nicht sehen.

Ungefähr eine Viertelstunde später ließ ich mich in den Pool gleiten. Wie warm das Wasser war, trotz der frühen Morgenstunde! Die Luft um mich herum war erfüllt vom Zwitschern der ersten Vögel. Oh ja, das war definitiv besser, als im fensterlosen Badezimmer in der Wanne zu liegen. Schwimmen sollte bekanntlich Wunder bei verspannten Muskeln wirken und zudem eine der schonendsten Sportarten sein. Sofern ich nicht den Fehler machte, den Kopf ständig über Wasser zu halten, denn damit tat ich meinen Nackenmuskeln keinen Gefallen.

Langsam und beinahe lautlos zog ich meine Bahnen durchs Wasser und legte dann und wann eine Pause am Beckenrand ein, um das Wasser aus der nicht ganz dichten Schwimmerbrille herauszulassen und die Aussicht zu bewundern, die ich für mich ganz alleine hatte. Was für ein spektakulärer Anblick: In der Ferne erhoben sich schneebedeckte Gipfel aus dem Dunst. Schon bald würde die Sonne aufgehen. Doch bis es so weit war, konnte ich ruhig noch ein paar Bahnen schwimmen. Diese Art von Frühsport beruhigte mich. Nicht.

Jemand ließ sich geräuschvoll in das Becken fallen und riss mich aus meiner Meditation. Wie ungeschickt, so einen Lärm um sechs Uhr morgens zu veranstalten. Noch so eine Arschbombe, und das halbe Hotel wäre wach. Aber so unelegant, wie er durch das Becken pflügte, brauchte es noch nicht einmal das. Ich hatte schon begnadetere Schwimmer gesehen. Sportlichkeit sah anders aus, denn die beinhaltete Fairness und Rücksichtnahme gegenüber anderen Mitschwimmern, die sich in derselben Bahn befanden. Und diese „Sportskanone“ dachte gar nicht daran, mir die Bahn zu überlassen, denn sie hielt genau auf mich zu.

Nach drei weiteren Zügen dämmerte mir, dass dieser Frühsportler mir den Weg mit voller Absicht versperrte. Leider sah ich durch die angelaufenen Gläser meiner Brille nicht sehr viel, außer dass dieser Idiot es anscheinend auf einen Frontalzusammenstoß anlegte. Als ich versuchte, ihm auszuweichen, zog er in die gleiche Richtung. Zufall konnte man das nun wirklich nicht mehr nennen. Genervt brach ich mein Sportprogramm ab und steuerte den seitlichen Beckenrand an, wo ich die vollgelaufene Brille abzog; und erstarrte. Der aufdringliche Schwimmer war Mike. Noch ein Zug, und er war so dicht vor mir, dass es für ihn ein Leichtes war, mich gegen den Beckenrand zu drängen. Weder nach links noch nach rechts war Wegschwimmen möglich, und Abtauchen erst recht nicht. Ich saß in der Falle.

So, jetzt hab ich Dich. Jetzt entkommst Du mir nicht mehr.“

Fand er das etwa witzig? Ich war alles andere als begeistert, und das war noch stark untertrieben. Aber er schien es wohl ernst zu meinen.

„Was soll das, Andrea? Warum gehst Du mir aus dem Weg?“

So ein Quatsch, war meine Reaktion.

Halt mich nicht für blöd. Seit Tagen bekomme ich Dich kaum zu Gesicht; und wenn dann doch, bist Du furchtbar beschäftigt!“

Natürlich hatte ich viel zu tun. Da konnte er gerne Dave und dessen Kollegen fragen.

Und komm mir nicht mit faulen Ausreden.“

Inzwischen war er so nah an mich herangerückt, dass ich seinen Atem spüren konnte. Noch näher ging nicht. Das grünliche Braun seiner Augen war verschwunden; sie schimmerten dunkel. Das würde Ärger geben.

Also sag schon: Was ist los?“ insistierte er und packte mich dabei an den Oberarmen, wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

Dummerweise erwischte er meine blauen Flecken. Verdammt, warum mussten die Leute immer gleich handgreiflich werden? Vor Schmerz zuckte ich zusammen. Sofort rückte er ein Stück von mir ab, um mich genauer zu betrachten. Dass es immer heller geworden war, kam ihm dabei entgegen.

„Oh Shit!“ rief er erschrocken aus. „Sag jetzt nicht, dass es das ist, was ich glaube.“

Klar, dass er wissen wollte, wer das getan hatte. Aber ich konnte es ihm nicht sagen.

„Ist das der Grund, warum du auf Distanz gehst?“

Eine Antwort konnte ich ihm darauf unmöglich geben. Aber ich musste es auch gar nicht. Er wusste auch so Bescheid.

„Oh Mann,“ flüsterte er, sichtlich schockiert, „wer war das? Und ich Idiot wollte ihm nicht glauben…“

Ihm glauben – wem? Bradley? Hatte der ihm gegenüber etwa Andeutungen gemacht? Und das, wo ich ihn doch inständig gebeten hatte, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Typisch! Manche Leute konnten einfach ihren Mund nicht halten! Und ausgerechnet Bradley hätte ich so nicht eingeschätzt. Innerlich sträubte sich bei mir in diesem Moment alles gegen Mike und seine Nähe. Warum konnte er mich nicht in Ruhe lassen, damit die mir noch verbleibenden Tage so ereignisarm wie möglich verstreichen konnten? Aber nein, die Inspektion war noch nicht beendet. Jetzt nahm er auch noch die Blessuren auf meinem Rücken unter die Lupe.

Wow. Das darf doch alles nicht wahr sein!“ entfuhr es ihm, und ich spürte, wie er verzweifelt um Fassung rang – aber diesen Kampf gegen seine Wut würde er verlieren; die aufwallenden Tränen sprachen eine deutliche Sprache. „So eine verdammte Scheiße! Wenn ich den erwische, kann er sich warm anziehen!“

Wann hatte ich schon einmal jemanden so hilflos erlebt? „Mike, nicht…“

Jetzt war auch ich davor, die Fassung zu verlieren. Lass es, wollte ich noch hinzufügen, aber weiter kam ich nicht mehr. Er zog mich in seine Arme und strich mir die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dass auch mir jetzt die Tränen kamen, ging auf das Konto dieser Umarmung, in der er mich so fest hielt, dass ich kaum noch vernünftig Luft bekam.

Im Normalfall wäre mir das zu weit gegangen, aber in dieser Ausnahmesituation, in der ich noch nicht einmal logisch denken konnte, hatte ich mit einem Mal das Gefühl, dass alles bisher Geschehene plötzlich unwichtig geworden war. Hier standen wir, und es fühlte sich seltsamerweise richtig an. Es war egal, wie lange wir hier schon standen und mir langsam kalt wurde; alles, was zwischen uns schiefgelaufen war, hatte keine Bedeutung mehr und war ausgelöscht.

Also liegt es nicht an mir?“, flüsterte er.

Ich konnte nur entgegnend den Kopf schütteln. Was gab es noch groß zu sagen? Dass ich mich wie eine Idiotin aufgeführt hatte: mein „I don’t need you anymore“ beim Soundcheck, und mein Geturtel mit Ryan nach dem Billardturnier.

Dann war also alles nur eine riesengroße Show?“ Ja, das war es. „Aber warum?“

Ich konnte wetten, wenn ich ihm noch ein paar Sekunden gab, dann kam er von selbst darauf, aber in diesem Punkt hatte ich ihn dann doch unterschätzt. Nein, darauf war ich wirklich nicht stolz. Jetzt, wo fast alle Karten auf dem Tisch lagen, sprach nichts dafür, die Wahrheit noch länger zurückzuhalten, auch wenn ich mich furchtbar schämte und mich am liebsten in Luft aufgelöst hätte.

Was glaubst Du wohl?“ fing ich umständlich an; Zeit zu schinden, war jetzt so ziemlich das Unvernünftigste, und innerlich stauchte ich mich selbst zusammen.

Verdammt nochmal, Andrea, reiß dich gefälligst zusammen und bring es endlich hinter dich. Auch wenn es wehtut. Kleinlaut versuchte ich, mich von ihm wegzudrehen. Ihn anzusehen, brachte ich nicht fertig. Aber er hielt mich fest, und zwang mich, ihm in die Augen zu schauen. Offenbar verstand er immer noch nicht.

„Mensch, Mike – kannst Du Dir wirklich nicht vorstellen, dass ich Dich eifersüchtig machen wollte?“ Was für eine Offenbarung. Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Oder doch eher der Offenbarungseid?

Mich eifersüchtig machen?“ Jetzt, wo er es wiederholte, klang es wirklich bescheuert. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?! Jetzt noch mal langsam und zum Mitschreiben. „…. mit Ryan?“ – Ich konnte den Groschen schon fallen sehen „Du meinst, zwischen Euch läuft überhaupt nichts….. Aber wieso…“

Wieso was? Wieso ich mit Ryan keine Affäre hatte oder wieso ich mich wie ein liebeskranker, verbohrter Teenager benommen hatte? Doch wohl eher das Zweite. Aber wieso eigentlich? Ich wusste doch selbst am besten, dass die so überaus romantische und das Publikum begeisternde Gesangseinlage, adressiert an einen im Lichtkegel stehenden weiblichen Fan, Bestandteil der Show war, und das jeden Abend. Und dennoch… Wenn es wenigstens ein anderer Song als ausgerechnet „By my side“ gewesen wäre.

Eifersüchtig machen. Mich. Mit Ryan.“

Ja – wie oft denn noch? Wie oft wollte er das noch wiederholen?

„Dann bin ich Dir also nicht gleichgültig?“ Schweigen. „Du empfindest also etwas für mich.“

Ja. Und wenn es so war: Welchen Sinn hatte das jetzt noch? Das mit uns hatte keine Zukunft. So gesehen, passte das, was ich beim Soundcheck von mir gegeben hatte, doch einwandfrei: „This hurts and it’s hopeless, can’t look to the future.“

Schon in ein paar Tagen wäre die Show für mich hier gelaufen. Brian hatte sich zwar immer noch nicht geäußert, wie mein Abschied zu regeln war, aber spätestens am nächsten Tag hätte einer von uns Nägel mit Köpfen gemacht, selbst hier, am Arsch der Welt.

Ja, und wenn schon! In ein paar Tagen bin ich weg von hier. Und zwar für immer. Wir werden uns nie wiedersehen.“

Die Notbremse zu ziehen, zeugte entweder von Mut oder unbeschreiblicher Feigheit.

„Warum tun wir uns beide nicht den Gefallen und beenden das Ganze, bevor es überhaupt angefangen hat?“

Ich konnte nicht verstehen, dass ich das soeben wirklich gesagt hatte, und auch Mike schien kaum seinen Ohren zu trauen.

Sag das nochmal.“ stieß er ungläubig hervor. „Sag es nochmal, und dann sag mir, dass ich Dir völlig egal bin.“

Mist. So war das bei ihm angekommen? Some kind of twisted reality. I could not believe it. Believe it or not, aber vielleicht wollte er mich auch absichtlich missverstehen.

Sag es.“ Unsere Blicke trafen sich.

Und da wusste ich, dass ich es nicht konnte. Ihm zu sagen, dass er sich zum Teufel scheren sollte? Dass er mir gestohlen bleiben konnte und ich froh darüber war, endlich nach Hause fliegen zu können? Dass die vergangenen Wochen die größte Zeitverschwendung meines Lebens gewesen waren? Dass ich wünschte, ihm nie begegnet zu sein? Und vor allem… dass ich ihn nicht liebte? Ich konnte es nicht. Weil es eine riesige Lüge gewesen wäre. Und das brachte ich einfach nicht fertig.

„Du kannst es nicht.“

Eine einfache Erkenntnis. So einfach, dass ich mich nicht länger dagegen wehrte, dass er mich küsste. In seinen Armen lag ich ja schon. Wie praktisch. Das machte es so viel einfacher.

„Ich will nicht, dass du gehst.“

Dies war der Moment, in dem sich mein mühsam aufgebauter Widerstand auflöste.

„Bitte geh nicht!“, wiederholte er leise.

Als ob ich das jetzt noch konnte – alles, was ich wollte und vermutlich je gewollt hatte, war hier vor mir. Ich musste nur noch zugreifen.

30-Days Song Challenge – Day #3

 

 


 

 Und heute im Sonderangebot der 30-Days Song Challenge – Day #3 : A song that reminds you of summertime…   Ein Song, der den Sommer schon im Namen trägt:

 

 

 

 

 

Ville Valo & Natalie Avelon – Summer Wine (https://www.youtube.com/watch?v=ONdsLfVZMso&list=RDONdsLfVZMso&start_radio=0)

Noch 27 Tage lang dürfen wir uns an der Challenge versuchen, von der ich durch aequitasetveritas in meinem Reader erfahren habe.

Dienstags-Gedudel #14 : Vergissmeinnicht

 

Don’t you (forget about me)“... das war nicht nur das Lied, das mir meine erste Reise nach Schottland versüßt hat, sondern ist der Opener für den Film „The Breakfast Club“, den ich mir zu Beginn des Monats noch einmal angeschaut habe – da die Bücherei immer noch wegen Corona geschlossen ist, muss ich auf Filme aus meiner umfangreichen Sammlung zurückgreifen (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=CdqoNKCCt7A&feature=youtu.be&t=0):

 

 

 

1985 haben die Simple Minds damit einen Riesenhit gelandet. Für mich ein weiteres Highlight der 80er Jahre, das bei meinem „Dienstagsgedudel“ (eine Aktion von nellindreams) einen Ehrenplatz bekommen hat.

Media Monday # 461 : Der Monat der Wiederholungen

 

Nicht nur der Sonntagabend wiederholt sich für mich wöchentlich mit sieben Lückentexten zum Ausfüllen beim Media Monday – in Ermangelung von Möglichkeiten ins Kino zu gehen, habe ich die private DVD-Sammlung geplündert und Wiederholungen eingelegt, was das Zeug hält. Welches Highlight (oder auch nicht) dabei war, verrät der kommende Donnerstag.

Nun aber zu den aktuellen sieben Fragen bzw. Texten – die Spannung steigt:

Media Monday # 461

1. Ich glaube die meiste Zeit verbringe ich im Moment damit, kreativen Output zu liefern, denn heute habe ich mich einer neuen Challenge angeschlossen, die 30 Tage lang dauern wird, denn mit Musik kann man mich immer ködern.

2. In Zeiten geschlossener Kinos und verschobener Starts bedeutet das immense – und oftmals kostenlos zu testende – Streaming-Angebot der diversen Anbieter für mich persönlich keine Neugier darauf, da sich hier bei mir gekaufte DVDs und aufgenommene Filme und Serien aus dem britischen Fernsehen stapeln.

3. Nun, da es die Zeit erlaubt, bin ich schlussendlich schwach geworden und habe auf meinem neuen Smartphone eine App installiert, mit der ich die online gespeicherten Bücher lesen kann, ohne ständig mein Laptop mir mir herumschleppen zu müssen. So ein Telefon ist beim Chillen in der Hängematte doch auch viel, viel handlicher. Vielleicht kommt von „handlich“ der Ausdruck „Handy“ für das Mobiltelefon.

4. Ginge es nach mir, dürfte man als Familie draußen picknicken, solange man genug Abstand zu anderen Picknickern einhält. Wenn ich mir ein Eis zum Mitnehmen hole, darf ich es ja auch draußen verzehren (wo denn auch sonst. Im Auto vielleicht?).



5. Sich online zum gemeinsamen Filmeschauen zu verabreden, habe ich noch nicht ausprobiert.

6. Richtig dicke Bücher zu lesen, ist auch so etwas, wozu ich sonst – wenn überhaupt – nur im Urlaub Zeit finde, denn/wobei ich jetzt die Abende oder die Mittagspause im Garten auch dazu nutzen könnte.

7. Zuletzt habe ich einem Elektronikmarkt in meiner Nähe, der diese Woche wieder geöffnet hat, einen Besuch abgestattet, und das war bitter notwendig, weil ich dringend Zubehör für das Home-Office gebraucht habe, wie zum Beispiel eine neue Maus und ein USB-Hub. Bei dieser Gelegenheit habe ich mir auch gleich neue Kopfhörer gegönnt, damit ich das Musikhören wieder mit Genuss verbinden kann.


(Videoquelle: https://www.youtube.com/watch?v=JWAUvdUn-r8)

30-Days Song Challenge – Day #2

 

 


 

Day #2 : A song you like with a number in the titleEine Zahl im Titel? Ich habe mich für die 80 entschieden, und zwar für Joan Baez mit

Children of the Eightieshttps://www.youtube.com/watch?v=smfP9By1fJ8

 

 

Mal sehen, wer heute höher bietet?  –  Vielen Dank an Aequitasetveritas, die mich auf diese Challenge aufmerksam gemacht hat.

30-Days Song Challenge – Day #1

 

In meinem Reader habe ich die Mitteilung von Aequitasetveritas gefunden, dass auf Twitter eine 30 Tage lang laufende musikalische Challenge begonnen hat: die 30-Days Song Challenge.


 


 

Besser spät als nie. Ich glaube, mein eigenes Projekt reicht mir noch nicht – und weil ich gerne bei Projekten von anderen mitmache, kommt mir die hier wie gerufen…

 

Day #1 : A song you like with a color in the title

Meine Wahl ist auf Amy Winehouse mit Back to black gefallen (https://youtu.be/TJAfLE39ZZ8?t=0)

 

 

„Broken Strings“ : Chapter 10 – Elf Tage

 

 

Die nächsten Tage gestalteten sich nicht gerade einfach. Oh, diese Peinlichkeit! Am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen, aber das ging nicht. Schließlich hatte ich immer noch einen Job, und den jetzt wegen so einem Bullshit zu riskieren, war das Letzte, was ich wollte. Ich hätte mich ohrfeigen können. Weniger Alkohol konsumieren und öfter das Hirn einschalten, war die Devise, an die mich mich besser gehalten hätte. Aber nun war das Chaos angerichtet, und das einzige Mittel, das ich mir vorstellen konnte, um die Wogen zu glätten, war auf Tauchstation zu gehen.

So früh wie möglich vorfahren, alles aufbauen, mich während des Konzerts so wenig wie möglich blicken lassen und ansonsten versuchen, dem Herrn, mit dem ich drauf und dran gewesen war, eine Dummheit zu begehen, so wenig wie möglich über den Weg zu laufen. Wenn dieser Plan nicht funktionierte, dann war ich mit meinem Latein wirklich am Ende. Einen Haken hatte dieser Plan jedoch.

Ein Zusammentreffen mit Ryan zu vermeiden, war ja gut und schön und sicherlich auch vernünftig, aber das bedeutete auch, dem Mann am Mikrofon aus dem Weg zu gehen, denn wo der Drummer sich aufhielt, war auch Mr. Mitchell nicht weit. Let’s play hide and seek? Eigentlich hatte ich für so ein Katz-und-Maus-Spiel keinen Nerv. Aber wenn es nicht anders ging, musste ich wohl in den sauren Apfel beißen. So lange es genug zu tun gab, waren die Tage halbwegs erträglich. Nur die freien Tage, von denen es zwischendurch auch den ein oder anderen gab, waren für mich weniger erfreulich. Okay, die einzelnen Bandmitglieder nutzten die Zeit zum Ausschlafen und Proben – und dabei musste ich nicht ständig anwesend sein. Dachte ich jedenfalls.

Fünf Minuten nach sieben. Ich war extra früh aufgestanden und schlürfte den ersten Kaffee des Tages, während im Hintergrund des Frühstücksraums das Radio dudelte.

„Oh sure, you’re right – this ain’t a good life.“

Ja, klasse – dieser Hit aus den Neunzigern hatte mir zu meinem Glück gerade noch gefehlt.

I’m elegantly wasted.

Wahre Worte. Leider erinnerten sie mich nur zu gut an meinen Fauxpas, der nun schon ein paar Tage zurücklag, aber immer noch an mir nagte.

You could be right, you could be certain…. I’m elegantly wasted.

Ich Feigling hatte auch allen Grund, mich so richtig schlecht zu fühlen, hatte ich mich bisher doch recht erfolgreich um eine Aussprache herumgedrückt. Aber warum eigentlich? Der eine, für den es mir wirklich leid tat, war sauer, und der andere, von dem ich nun wirklich nichts wollte, rechnete sich immer noch Chancen bei mir aus… Zwar hatte ich auf diese Art von Konfrontation nun wirklich sehr wenig Lust, bezweifelte aber gleichzeitig, dass sich mein Untertauchen auf Dauer als Strategie bewähren würde.

Your coffee, madam.“

Wie nett, dass man mir den Kaffee an den Tisch brachte. Aber noch mehr Kaffee? Ob das gut für mich war? Ehrlich gesagt, kümmerte mich das nicht die Bohne. Wenig bis fast nichts am frühen Morgen zu essen, war sicherlich genauso wenig meinem Wohlbefinden zuträglich, aber außer Kaffee brachte ich nichts hinunter. Schon gar nicht um diese Zeit. Was stehst du auch so früh auf, hätte mich Jenny jetzt gefragt. Aber was soll man denn sonst tun, wenn man seit fünf Uhr wach ist und einfach kein Auge mehr zubekommt. Also tat ich das, was ich immer tue, wenn ich nicht mehr schlafen kann: Ich stehe auf und beschäftige mich anderweitig, zum Beispiel lesen oder Tagebuch schreiben oder, wie heute morgen, ein paar Bahnen im Pool schwimmen.

Das Motel hatte zwar ein eigenes Schwimmbecken, aber das wurde gerade generalüberholt, und deswegen wies ein Aushang im Foyer darauf hin, dass es zwei Straßen weiter einen öffentlichen Pool gab, der schon um sechs Uhr morgens öffnete. Vielleicht war es doch kein Zufall, dass ich so früh wachgeworden war. Vielleicht brauchte ich einfach nur etwas Bewegung, um den Kopf freizubekommen. Meine verspannten Muskeln würden es mir auf jeden Fall danken. Eine halbe Stunde im Wasser reichte schon, um mich besser zu fühlen.

Mit meinem Becher, an dem ich meine Finger wärmte, denn am Fenster war es doch etwas frisch, lehnte ich an der Wand und ließ meine Blicke durch den Frühstücksraum schweifen. Außer mir waren nur die notorischen Frühaufsteher anwesend. Touristen, die ihrer Ausrüstung nach zu urteilen, bald zum Wandern aufbrechen würden. Von unseren Leuten war noch niemand zu sehen. Aber wie war das mit Murphy’s Law? Alles, was irgendwie schiefgehen kann, wird irgendwann schiefgehen?

Hatte ich eben noch genossen, dass ich einen Tisch für mich allein hatte, war es im nächsten Augenblick damit auch schon vorbei, denn einer nach dem anderen trudelten sie ein, meine Kollegen von der Technik. Die Fahrgemeinschaft war so gut wie komplett, nur Leslie fehlte noch. Dafür hatte sich ihnen Brian angeschlossen. Aber der war nicht zum gemütlichen Plaudern mitgekommen, sondern weil er etwas zu verkünden hatte.

So, Leute. Schön, dass ihr es als Erste erfahren dürft.“

Na, der machte es ja spannend.

„Es gibt Neuigkeiten…“

Ich fragte mich, was es so wichtiges geben konnte, dass er früher als sonst aufgestanden war. Anscheinend wollte er noch warten, bis Leslie und die beiden Roadies da waren, aber er hatte Glück, denn die drei betraten den Frühstücksraum kurz nach ihm. Mittlerweile zeigte die Uhr viertel vor acht. Ich hatte die Zeit beinahe vergessen; jetzt war ich hellwach.

Oho, eine Versammlung!“ rief Paul uns entgegen. „Was verschafft uns die Ehre?“ Die Ironie in seiner Frage war kaum zu überhören. Brian ignorierte ihn und fuhr mit seiner Ansprache fort.

Da wir jetzt alle vollzählig sind, mache ich es kurz“, erwiderte er und blickte uns einen nach dem anderen an. Mich ein wenig länger. Oder bildete ich mir das nur ein? „Ich habe eine Nachricht, die euch alle interessieren dürfte. Die Klinik hat sich gemeldet.“

Die Klinik? Das konnte nur eines bedeuten. Aber wieso…. wann hatte er den Anruf bekommen? Heute morgen? Noch vor dem Frühstück?

„Ja, Leute. Es ist soweit. Steve ist anscheinend wieder so fit, dass er übernächste Woche wieder einsatzfähig ist.“

Entgeistert starrte ich Brian an. War es also doch soweit. Wie gut, dass ich mir noch keinen Teller geholt hatte. Das Brötchen wäre mir im Hals steckengeblieben: Na, herzlichen Glückwunsch. Wirklich freuen konnte ich mich nicht, obwohl ich Steve nur das Beste wünschte und ihm seine baldige Rückkehr gönnte. Schließlich war so ein Herzanfall nichts, mit dem man spaßte und das man so einfach wegsteckte.

Aber andererseits wusste ich auch, was das für mich bedeutete: Time to say good-bye. Dass es in elf Tagen soweit sein würde, bekam ich mit, als ich mich erhob, um mir neuen Kaffee zu holen. Noch mehr Kaffee… Ich würde noch in Kaffee ertrinken, wenn das so weiterging. Essen konnte ich nach dieser Nachricht erst recht nichts. Mit einem Kloß im Hals und dem Kaffeebecher in der Hand verzog ich mich nach draußen auf den Parkplatz. Die Neuigkeit musste ich erst mal verdauen. Im Grunde hatte ich von vornherein gewusst, dass mein Aufenthalt zeitlich begrenzt war, und im Prinzip konnte ich mich glücklich schätzen, dass ich durch den unvorhergesehenen Aushilfsjob an eine Verlängerung gekommen war, die ich vorher nie im Sinn gehabt hatte. Warum also stellte ich mich so an?

Die blöden Kommentare von Paul und Frank gingen mir am Allerwertesten vorbei. Meinetwegen sollten sie lästern, so viel sie wollten. Ich wollte nur eines: meine Ruhe. Da mein Nachbar auf der Rückbank ebenfalls nicht sonderlich gesprächig war, konnte ich mich zurücklehnen und die Augen schließen. Sollten sie ruhig glauben, dass ich hinter meiner Sonnenbrille ein Nickerchen machte, weil ich mich beim Frühsport verausgabt hatte. Hauptsache ausgeruht ankommen, denn es lag noch ein langer Tag vor uns. Schlafen konnte ich allerdings nicht. Wenn ich so darüber nachdachte, wie viel ich für meine Abreise noch zu organisieren hatte, wurde mir schlecht.

Ich hatte keine Ahnung, wie das klappen sollte; wären wir noch in Vancouver gewesen, hätte die Sache anders ausgesehen. Da war es bis zum Flughafen ein Katzensprung, aber hier befanden wir uns am Arsch der Welt. Und selbst wenn ich es noch schaffen sollte, rechtzeitig zurückzukehren – wenn ich Pech hatte, und das war nicht auszuschließen, war gerade kein Flug in die Heimat verfügbar und ich würde mich auch noch um eine Unterkunft kümmern dürfen. Von welchem Geld auch immer. Wenn es ganz blöd lief, müsste ich mir am Ende noch Geld per Western Union schicken lassen. Was für eine Blamage. Hätte ich diesen Job doch bloß nie angenommen.

Lunch Break!“ verkündete Dave und steuerte das nächste Schnellrestaurant an.

Bitte alle aussteigen. Wir machen vierzig Minuten Pause. Vierzig Minuten Zeit, um einen Happen zu essen und sich die Beine zu vertreten. Was die anderen derweil taten, entging mir komplett. Ich verkrümelte mich mit meiner Cola und meinen Fritten ans andere Ende des Parkplatzes, wo sich niemand befand außer ein paar Krähen, die in achtlos weggeworfenen Burgerverpackungen herum pickten. Kein Wunder. Eine zugemüllte Pausenecke konnte niemand gemütlich finden. Lustlos kaute ich auf meinen Fritten herum. Richtigen Appetit hatte ich immer noch keinen. Verdammt, warum drehten sich meine Gedanken ständig im Kreis?

Alles Grübeln brachte mich einer brauchbaren Lösung nicht einen Schritt näher. Und besser fühlte ich mich dadurch auch nicht. So langsam reichte es mir: Irgendwie zog ich in der letzten Zeit eine Arschkarte nach der anderen. Selbst die Dreihundert-Milliliter-Becher waren nicht mehr das, was sie mal waren. Mist. Schon leer. Leise knirschender Kies…. dass hinter mir jemand vorbeiging, nahm ich nur am Rande wahr.

Mich beschäftigte immer noch mein schiefgelaufenes Work & Travel. Was war das nur für eine Schnapsidee gewesen; und der Job, den ich zur Zeit noch hatte, war auch nicht das Gelbe vom Ei. Zwar hatte ich ihn angenommen, aber auf meinem Mist war die Idee trotzdem nicht gewachsen. Warum zerbrach ich mir hier eigentlich noch länger meinen Kopf? Sollte sich doch der Manager der Band darum kümmern.

Genervt stopfte ich meinen leeren Colabecher in den nächsten Mülleimer und wäre um ein Haar mit Bradley zusammengestoßen, der mir gefolgt sein musste, ohne dass ich es gemerkt hatte. Blindlings loszustürmen und dabei versuchen, eine saubere Kehrtwendung hinzubekommen, ist mir noch nie gelungen. Warum sollte nun dies hier die berühmte Ausnahme von der Regel sein?

„Bist du okay?“ Okay war überhaupt nichts, aber ich wusste seine Anteilnahme zu schätzen. „Ich wollte vorhin ja nichts sagen, aber…“ Worauf wollte er hinaus? „… wirklich begeistert hast du nicht gewirkt, nach der Nachricht – so schnell, wie du heute morgen verschwunden bist.“

Klar, wie würdest Du Dich fühlen, wenn Du vor allen aufs Brot geschmiert bekommst, dass Dein Typ nicht länger erwünscht ist und gewisse Leute ihre Schadenfreude nicht verbergen können, hätte ich ihm am liebsten an den Kopf geworfen. Vielleicht wurmte mich genau das am meisten. So viel zu der These, dass mich die Äußerungen der beiden Typen, die mich von Anfang an auf dem Kieker gehabt hatten, absolut kalt ließen.

Und auch wenn ich genervt darüber war, dass ich mir anscheinend gerade selbst etwas vormachte – angefaucht zu werden, hatte Bradley nicht verdient. Er konnte ja nichts dafür. Außerdem war er ein anständiger Kerl, der nie auf die Idee gekommen wäre, jemanden vor versammelter Mannschaft bloßzustellen, so wie es besagte Kollegen getan hätten, ohne mit der Wimper zu zucken. Außerdem war er wieder da, der Kloß im Hals, der es mir unmöglich machte, überhaupt etwas zu sagen. Aber mein Schweigen war auch so deutlich genug.

Hier“, sagte er und zog ein Taschentuch aus seiner Jacke und gab es mir.

Noch im selben Augenblick wusste ich auch, warum. Der Kloß geriet in Bewegung. Mist! Hier loszuheulen, konnte ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Auf einem Parkplatz. In der Einöde – in the middle of nowhere. Mit einem Kollegen, der sich davon nicht abschrecken ließ, sondern sich anscheinend wirklich Sorgen um mich machte und dem die Art und Weise, wie ich abserviert wurde, ebenso wenig gefiel.

Wenn ich mit allem gerechnet hätte – damit nicht. Seiner Meinung nach sollte ich mich nicht auch noch selbst mit dem Papierkram belasten, denn das wäre die Aufgabe des Managers, sich um den Transfer und die Organisation des Fluges nach Hause zu kümmern. Auch wenn es nicht Brian war, der mir in seinen Augen den Schlamassel überhaupt erst eingebrockt hatte, sondern Mike Mitchell.

Wenn er geglaubt hatte, dass mich das trösten würde, lag er so weit daneben wie nur irgend möglich, denn an dieser Stelle verlor ich erst recht die Fassung. Daran erinnert zu werden, war wie Salz in eine Wunde gerieben zu bekommen. Der Knoten in meiner Kehle löste sich nun vollends auf – in Tränen, von denen ich nicht wusste, wie ich sie stoppen sollte. ‚Ach du Scheiße‘, stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er mir erschrocken über meine Reaktion die gesamte Packung Tempos entgegenhielt. Viel tun konnte niemand von uns, außer warten, bis ich mich wieder beruhigt hatte.

Ach herrje“, murmelte er mit belegter Stimme, „Es liegt nicht nur daran, dass Brian Steve übernächste Woche zurückholt. Es ist Mike. Dir liegt tatsächlich etwas an ihm…“

Was für eine bahnbrechende Erkenntnis. Was dachtest Du denn, Bradley Jackson? Dass das nur ein harmloser Flirt oder eine freundschaftliche Kabbelei zwischen eurem Sänger und mir war, auch wenn euer Oberarschloch von Roadie sich gerne das Maul über unsere angebliche Affäre zerriss und dreckige Witze darüber machte, dass ich Mike nur verarschte, weil ich gerne zwei- oder gar mehrgleisig fuhr.

So eine Schweinerei“, entfuhr es ihm. „das grenzt ja schon an Mobbing.“

Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen und war nun sichtlich verärgert. Besser gesagt, stinkwütend. Diese Ungerechtigkeit trieb ihn tatsächlich auf die Palme, und wenn er gekonnt hätte, hätte er auf der Stelle den Manager gesprochen. Aber Brian war nicht hier, sondern bei seinen Jungs. Nun war ihm auch klar, woher meine blauen Flecken und Schrammen tatsächlich gekommen waren. Aha. Hatte Dave also doch gepetzt. Wo ich ihn doch so darum gebeten hatte, nichts zu sagen. Aber das verstand er noch viel weniger.

„Warum hast du nicht schon längst etwas gesagt? Wir hätten zu Brian gehen soll…“

Lass gut sein, Bradley“, unterbrach ich ihn müde. Inzwischen waren auch meine Tränen versiegt, und ich hatte mich wieder halbwegs gefangen, „glaub mir, es hätte alles nur viel schlimmer gemacht.“

Aber…“

Bitte. Es spielt doch ohnehin keine Rolle mehr. In elf Tagen ist das hier alles Geschichte. Dann bin ich weg und Schnee von gestern. Und keiner von euch wird mir eine Träne nachweinen, so eingespannt wie ihr seid… und Mike am allerwenigsten. Nach der Aktion von neulich.“

Ja, so ernüchternd es klang, und wie mir in diesem Augenblick klar wurde: Der abgedroschene Spruch vom Ende mit Schrecken erschien mir nur zu wahr. Vielleicht war dieser Abschied das Beste, was mir passieren konnte, und wer weiß – später wäre ich wahrscheinlich sogar froh darüber, dass ich diesen Kontinent endgültig verlassen musste, und vermutlich nie wieder dort hin zurückkehren würde.

Sag doch so was nicht!“

Nanu, sollte das jetzt eine weitere Liebeserklärung werden, vom inzwischen wievielten Kandidaten? Verdammt nochmal, was war bloß mit denen los? Für was hielten die mich? Für das Groupie der Band? Und der Crew gleich mit? Bloß nicht! So langsam begann ich, mir Gedanken darüber zu machen, welche Signale bei ihnen ankamen. Ich konnte mich nicht erinnern, irgendwen ermutigt zu haben – okay, vielleicht den Drummer, das ging auf meine Kappe. Aber jetzt auch noch der Lichttechniker? Das brauchte ich so dringend wie einen Kropf. Wie sich jedoch noch im selben Augenblick herausstellte, traf meine Befürchtung glücklicherweise nicht zu.

Es sind nicht alle so.“

Wie das wirklich gemeint war, sollte ich auch gleich erfahren.

„Mir wäre es nicht egal – und ich wüsste wirklich gerne, wie du darauf kommst.“ Ach ja? Jetzt wurde es interessant.

Very interesting. Schön, dass es wenigstens einem leid tut. Aber wie ich schon sagte – nach der Aktion nach unserem Billardturnier würde mich nicht wundern, wenn er froh ist, dass ich weg bin und er mich nicht mehr sehen muss.“

Die Bitterkeit in meiner Stimme erstaunte mich selbst, aber weiter kam ich nicht, denn Bradley signalisierte mir, dass es besser wäre, wenn wir unser Gespräch unter vier Augen später fortsetzten, denn Dave, Kevin und Leslie befanden sich im Anmarsch.

Hey, ihr zwei Nachteulen“, rief Leslie quer über den Parkplatz, „die Pause ist beendet. Es kann weitergehen.“

Schön, dass es wenigstens einen interessierte. Aber die Fortsetzung unseres Gesprächs würde warten müssen. Die Fahrt war noch lang, und auf uns wartete noch jede Menge Arbeit. Wie gut, dass das nächste Konzert erst am übernächsten Abend stattfinden würde; Aufbau, Soundcheck und Überprüfung der Sicherheitsstandards lagen damit locker im Rahmen des Zeitplans, und was die Proben der Band angingen, musste ich nur zusehen, dass ich weder ihnen noch den beiden Roadies ständig über den Weg lief. Der einzige, den ich wirklich zu erwischen hoffte, war Brian. Im Grunde hatte Bradley recht: Wichtig war jetzt, dass ich mit ihm besprach, wie es nun weitergehen sollte.

Elf Tage nur – der Entlassungstermin stand fest. Wenn er schon Steve abholte, dann konnte er mich genauso gut nach Vancouver mitnehmen. Aber so lange das Problem des Rückflugs noch nicht gelöst war… allerdings befürchtete ich, dass er außer dem nächsten Gig noch nichts organisiert hatte. Und so war es auch. Vertröstet zu werden, fand ich alles andere als prickelnd, aber was konnte ich schon tun? Mich selbst darum kümmern? Liebend gerne, nur… wann?

Kaum angekommen, wurde ich auch schon zum Kistenschleppen abgestellt. Ausgerechnet jetzt musste sich Paul einen Nerv einklemmen und fiel in seiner Funktion als Roadie erst einmal flach. Gratulation! Einen besseren Zeitpunkt hätte er sich nicht aussuchen können. Das hatte er ja super hingekriegt. Dass mich Frank jetzt nach Herzenslust herumscheuchen und mir die sperrigsten Frachtstücke aufhalsen konnte, passte mir überhaupt nicht, aber als Memme wollte ich auch nicht dastehen und biss die Zähne zusammen. Mein Gott, was hatten die Jungs bloß in die Kisten gepackt? Backsteine?

Gib Gas!“ hetzte er mich. „Und lass bloß die Finger von den Verstärkern.“

Na klasse. Lieber hätte ich die Gitarren oder meinetwegen auch noch das sperrige Keyboard getragen, aber das verhinderte Frank erfolgreich. Was er da mit mir abzog, war pure Schikane. Aber mich zu beschweren, hatte keinen Sinn, weil er um keine Ausrede verlegen war, wenn es darum ging, wie unsagbar dämlich ich mich angeblich anstellte. Mein Wort würde gegen seines stehen, mit dem Ergebnis, dass man mir nicht glauben würde und er mich bei der nächsten Gelegenheit nur noch schlimmer triezen würde. Aber würde man mir tatsächlich nicht glauben?

Aber das grenzt ja schon an Mobbing, hörte ich Bradley sagen. Ja, natürlich – unser unterbrochenes Gespräch während der Mittagspause – gut, dass er das wie ich sah. Damit waren wir schon zwei. Aber welchen Beweis hatten wir?

„Bist du immer noch nicht fertig?“ Der Kerl machte mich wahnsinnig!

Wenn du mir nicht immer das schwerste Zeug aufbrummen würdest, wären wir ein ganzes Stück schneller“, giftete ich zurück.

Komm mir jetzt nicht so. Du weißt genau, was letztes Mal passiert ist!“

So. Jetzt reichte es mir: „Ach ja? Was denn?“ Ich wusste genau, was er meinte, aber wenn er glaubte, den alten Quark erneut aufwärmen zu müssen – bitte sehr: Ich konnte auch anders.

Tu nicht so unschuldig“, kam er ein paar Schritte auf mich zu und baute sich drohend vor mir auf. Wenn er glaubte, dass ich mich davon einschüchtern ließ, dann hatte er sich geschnitten. „Wer hat denn den Verstärker geschrottet?“ Oh ja, genau darauf hatte ich gewartet.

Ja, wer wohl?“ gab ich lauernd zurück. „Ich jedenfalls nicht. Schon komisch, dass du es mir anhängen willst…“

Dir anhängen?!“

Weiß vor Wut packte er mich an den Handgelenken und drückte mich unvermittelt gegen die Hauswand. Seine Stimme war eisig und wurde plötzlich gefährlich leise.

„Was willst du damit sagen?“

Sein Gesicht war so dicht vor mir, dass ich seinen Atem spüren konnte. Shit! Jetzt bekam ich wirklich Angst. In dieser Verfassung war er zu allem fähig. Ich spürte schon die Hand an meinem Hals.

Gibt’s ein Problem?“

Oh mein Gott, wer auch immer das war – er erschien gerade im richtigen Moment, und Frank ließ so plötzlich von mir ab, wie er mich angegriffen hatte. Hoffentlich würde ihm das eine Warnung sein, denn gerade war er zu weit gegangen, und diesmal gab es einen Zeugen dafür: Bradley Jackson.

Nein. Alles bestens. Frank und ich hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit, aber ich glaube, die Sache ist geklärt“, antwortete ich und versuchte, mir das Zittern in meiner Stimme nicht anmerken zu lassen, während ich Frank dabei nicht aus den Augen ließ.

Der sagte gar nichts und hätte sich am liebsten diskret zurückgezogen. Dass es in ihm noch immer gärte, konnte ich ihm ansehen. Aber in Bradleys Anwesenheit traute er sich nicht, noch einmal über mich herzufallen. Zähneknirschend sagte er gar nichts mehr und überließ uns das Abladen.

Schön, dann können wir ja weitermachen“, wandte sich Bradley an mich, „Du schnappst Dir jetzt Johns Equipment, und Dave hilft Dir dabei.“

Damit ließ er es hoffentlich gut sein, und als Frank merkte, dass er heute mit seiner Masche keinen Meter mehr weit kommen würde, machte er sich an den übrigen Kisten zu schaffen, bevor er sich von Bradley noch einen weiteren Rüffel einfangen konnte, weil ich mich wegen seiner schwachsinnigen Anordnungen abrackern durfte, während er das ganze leichte Zeug fröhlich pfeifend abgeladen und nach drinnen geschleppt hatte.

Aber er wäre nicht der Arsch gewesen, für den ich ihn die ganze Zeit über gehalten hatte, wenn er mich beim Abtransport nicht ein letztes Mal absichtlich angerempelt und mir ein „wir sprechen uns noch“ entgegen gezischt hätte. Ha! Das würden wir ja noch sehen, dachte ich aufgebracht und versuchte, die verlorene Fassung wiederzugewinnen. Mist. Mir war immer noch mulmig, aber nach und nach legte sich meine Aufregung.

„Alles okay?“ fragte mich Bradley besorgt.

Nach dieser Aktion war ihm nun endlich klar, wie die Aktien standen. Aber viel Zeit, um uns damit weiter auseinanderzusetzen, hatten wir nicht. Bus und Pick-Up-Truck mussten komplett abgeladen und die gesamte Ausrüstung am Veranstaltungsort abgeladen werden. Auf uns warteten noch einige Stunden konzentrierter Arbeit. Wie hatte Leslie uns so schön genannt? Nachteulen? Damit hatte sie gar nicht so falsch gelegen.

„We are Night Owls: We work at night and sleep all day, but beware of the small hours when the sleep is leaving you.“ Daraus sollte man mal ein Lied machen, dachte ich so für mich und hatte Zeilen eines meiner Lieblingssongs im Kopf.

My life in a nutshell: „Without sleep there are no dreams, without dreams we fall apart at the seams…“ Wie passend, aber „Sleep“ von Conjure One als Ohrwurm? Ernsthaft? Ohrwürmer bekämpft man am besten, indem man sie laut mitsingt oder sie mit voller Power durch die Boxen der Stereoanlage schickt. Aber ob das eine gute Idee war?

„Sleep with me tonight.“ Solche persönlichen Fragen stellte man besser nicht öffentlich, es könnte bei den falschen Leuten falsche Erwartungen wecken. Was für eine Spinnerei! Zum Glück war nicht ich für den Soundcheck verantwortlich, sondern Leslie.

Test. Test. Test.“ Leslies Stimme tönte laut und voll aus den Boxen. An Mikrofon Nummer Eins war schon mal nichts auszusetzen, wenn die anderen genauso gut funktionierten, dann würde es beim Soundcheck weniger Probleme geben. Bevor die Band aber antrat, waren erst einmal wir gefordert.

Hey, Leslie“, rief Kevin vom Gerüst herunter, auf dem er gerade stand und an den Strahlern herumfummelte, „gib doch mal ordentlich Stoff.“ Nanu? So gesprächig kannte ich ihn gar nicht. Irgendwas führte er doch im Schilde.

Wenn Du meinst?!“ rief Leslie grinsend zurück, „was darf’s denn sein? ‚Hells Bells‘ von AC/DC oder ‚Enter Sandman‘ von Metallica?“

Weder noch“, rief ich dazwischen, ohne nachzudenken, „nimm lieber Conjure One oder Florence & The Machine! Die knallen auch nicht schlecht.“

Beide hatte ich gerade erst auf meinem mp-3-player wiedergefunden und hörte sie in jeder freien Minute. Das Handy war zwar futsch, aber wenigstens hatte ich den noch. Kunststück, er war ja an dem besagten Abend im Hostel geblieben. Manchmal war es gar nicht so schlecht, wenn man seine Playlists überarbeitete. Immer nur U2 und INXS oder andere Highlights der 80er Jahre zu hören, wurde auf Dauer irgendwann auch langweilig; schließlich waren wir inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen, da durfte die Musik das ruhig widerspiegeln.

Okay. Hells Bells kann ich nämlich so langsam echt nicht mehr hören. Ich glaub‘, ich versuch’s mal mit Conjure One – die kenne ich noch nicht.“ brüllte sie zurück.

Gute Wahl, auch wenn es sich um einen Er handelte, der noch dazu aus Vancouver kam. Wie passend! Den orientalisch angehauchten Teil konnte sie ja locker überspringen, aber ich hatte ein paar richtig fette Remixe auf dem Player, da würde sie schon das passende finden.

„Hey, Andie. Stell dich doch mal ans Mikro!“

Was hatte sie denn jetzt vor? Doch hoffentlich nicht das, was Mark neulich auf unserer Fahrt mehr aus Blödsinn vorgeschlagen hatte: ‚Hey, Leute, beim nächsten Soundcheck lassen wir unseren Frontmann durch Andrea vertreten‘. Aber genau das hatte sie vor: Karaoke 2.0 – mit mir am Mikrofon, da der eigentliche Sänger gerade nicht zur Verfügung stand, denn er würde mit seinen Kollegen erst am frühen Nachmittag auftauchen, um die Songs des heutigen Abends nochmal durchzugehen.

Ein bißchen spät, aber bisher hatte sich dieses Prinzip bewährt. Warum auch nicht? Die Anlage funktionierte, wir waren hier nur zu fünft, und keiner außer uns würde mitbekommen, wenn ich mich auf der Bühne blamierte.

# Writing Friday 2020 – April, 17. Woche : Schockstarre

 

Letztes Mal habe ich mich beim #Writing Friday (auf dem Blog von elizzy) der Frage gewidmet, was für mich ein gutes Buch ausmacht und festgestellt, dass es zwar einfach ist, Kritik an anderen zu üben – aber wenn es darum geht, selbst etwas zu schreiben, die selbst hoch gelegte Messlatte zu einer unüberwindlichen Hürde werden kann.

Die letzte Übung für den April besteht in einer Aufgabe, die ich bisher immer am liebsten hatte, nämlich eine Geschichte mit bestimmten Wörtern darin zu schreiben. Seltsamerweise ist mir die heutige Aufgabe zu diesem Thema nicht so leicht gefallen wie sonst. Sie lautet

„Schreibe eine Geschichte und flechte darin folgende Wörter mit ein: Hoffnung, genüsslich, Wind, verletzt, Hindernisse

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Schockstarre

Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte Suzanne, als sie die beiden inmitten der Menge erblickte. Engumschlungen, mit ineinander versunkenen Blicken und nur mit sich selbst beschäftigt. Sie hatte es nicht wahrhaben wollen, die Augen hatte sie verschlossen vor der Wahrheit, und jetzt hatte es sie eiskalt erwischt. Ausgerechnet er. Wie lange hatte sie ihn schon aus der Ferne angehimmelt und doch nicht den Mut gefunden, ihn anzusprechen. Wieder und wieder hatte sie sich ausgemalt, wie sie all ihren Mut zusammen nehmen und lässig auf ihn zugehen würde. Doch die Hindernisse zwischen ihr und ihm schienen unüberwindlich. Stets war er umgeben von seinen Freunden, und wenn Marc dann doch einmal zum Lernen ganz allein in einer Ecke saß, traute sie sich vor lauter Schüchternheit doch nicht.

Ganz bestimmt würden seine Freunde sie auslachen. Der Schlimmste von ihnen war Julian, der in dieser Clique das große Wort führte. Hatte er erst einmal die Schwächen anderer erkannt, waren jene, auf die er es abgesehen hatte, vor Hohn und Spott nicht mehr sicher. Julian gehörte zu denen, die sich genüsslich an der Verlegenheit anderer weideten. Warum sich Marc mit diesem Angeber abgab, verstand Suzanne nicht, wie sie so vieles nicht verstand. Doch am allerwenigsten konnte sie begreifen, was Marc an Alexandra fand, mit der sie ihn jetzt sah. War das Gerücht doch wahr gewesen, und sie einfach nur blind für das doch so Offensichtliche.

Verletzt wandte sie sich ab und suchte nach einer Möglichkeit, sich unerkannt zurückzuziehen. Niemand sollte sehen, wie sehr sie durch den Wind war. Noch stand sie unter Schock, aber die Starre würde nicht lange anhalten, und dann käme der Schmerz. Doch dann war sie schon weit weg. Ihr Zug an die See fuhr morgen; drei Wochen im Norden waren zwar keine Garantie, dass sie über die Schmach hinwegkommen würde, aber die vielen Kilometer zwischen dort und hier würden den Schmerz erträglicher machen.

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Kein Happy-End, diesmal. So, und nun – wie immer an dieser Stelle – die Schreibthemen im April:

1) Was macht für dich ein gutes Buch aus? +++ 2) Schreibe eine Geschichte und flechte darin folgende Wörter mit ein: Hoffnung, genüsslich, Wind, verletzt, Hindernisse +++ 3) Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz “Klara schmiss das Bild an die Wand, es war nun Zeit für…” beginnt +++ 4) Dein Netflix Konto packt aus – was lief dort die letzten paar Wochen? +++ 5) Versuche “Er war verliebt” in einer Szene zu beschreiben, ohne die Wörter “Liebe” oder “verliebt” zu gebrauchen.

Und hier nochmal die Regeln:

Jeden Freitag wird veröffentlicht. +++ Wählt aus einem der vorgegebenen Schreibthemen. +++ Schreibt eine Geschichte/ein Gedicht/ein paar Zeilen – egal, Hauptsache ihr übt euer kreatives Schreiben. +++ Vergesst nicht, den Hashtag #Writing Friday und den Header zu verwenden, schaut unbedingt bei euren Schreibkameraden vorbei und lest euch die Geschichten durch. +++ Habt Spaß und versucht, voneinander zu lernen.