Heute, liebe Leute, setze ich meine 1. Extra-Etüde fort, da ich fand, dass sie so abrupt nicht einfach enden durfte. Extra-Etüde, das heißt, bis zum kommenden Sonntag fünf der bisher sechs gespendeten Begriffe (Giraffe, mondsüchtig und suchen von Myriade und Wetterbericht, ordentlich und irisieren von Puzzleblume) in einen Text von maximal 500 Wörtern Länge zu betten. Alle ABC-Etüden gibt es übrigens hier, auf Christianes Blog.
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Die Überraschung, Teil 2
Wackelpudding!
Jenny traute ihren Augen nicht, als sie sah, welche Leckereien auf dem Büfett aufgebaut worden waren. Überraschung! Am Telefon hatte Ricky ja noch gespottet, dass die Buletten bestimmt aus Kängurufleisch waren und sie danach große Sprünge machen konnte. Nur sollte sie aufpassen, wenn das Fleisch zu irisieren begann oder die Klopse von alleine weghüpften. Kängurufleisch, schnaubte Jenny, welch geistreicher Joke! Hach ja, es ging doch nichts über einen ordentlichen Sack Vorurteile.
An Ricky schien ja ein echter Witzbold verlorengegangen zu sein. Da war nach ihrer Rückkehr wohl ein ernstes Wörtchen fällig, aber jetzt war sie für weitere Planungen viel zu platt. Nach dem Tempo, das Oma Lissy unerwartet vorgelegt hatte, fühlten sich ihre Beine wie das buntschillernde Dessert an, das förmlich danach schrie, dass sich die Festivalbesucher an ihm bedienten.
Leckere Frikadellen, dazu ein süffiger Roter, und die Welt sah schon wieder ganz anders aus. Vom Regenguss überrascht, den der Wetterbericht nicht vorhergesehen hatte, waren sie im Schweinsgalopp durch den Zoo gehetzt, um halbwegs trocken am Gehege mit den Giraffen anzukommen. Oink!
Oma Lissy nahm sich noch eine, bevor sie das proppenvolle Theater mit ihrer ungewöhnlich schweigsamen Enkelin im Schlepptau betrat. Über die schiere Masse staunte sogar Jenny. Das musste ja ein doller Film sein, wenn er in gleich zwei so gut wie ausverkauften Sälen lief. Hätte sie mal besser vorher schnell gegoogelt.
Jennys Gedankenkarussell wurde durch das Erscheinen des Abgesandten der australischen Botschaft mit seiner Dankesrede jäh gestoppt: Warme Worte an alle, die das beliebte Event möglich gemacht hatten, gefolgt von der außerordentlichen Freude, den Anwesenden ein ganz spezielles Porträt eines außergewöhnlichen Künstlers präsentieren zu dürfen, den er dem verehrten Publikum doch bestimmt nicht mehr vorstellen müsse.
„Nein, nein“, erscholl es unisono, und da war sie, die eine Szene aus „Das Leben des Brian“: Hier ist doch nicht etwa Weibsvolk anwesend? Ein Klassiker, wie gemacht für den nächsten Filmabend mit Ricky. Ehe das Licht erlosch und sie das Telefon ausschalten musste, bat Jenny ihn noch schnell per WhatsApp, bei Netflix danach zu suchen, dann lehnte sie sich entspannt im Sessel zurück.
Daa-Daa-Daaaaaa! How can we dance when our earth is turning? How do we sleep while our beds are burning?
Die laute Musik ließ Jenny entsetzt hochschrecken. Seit wann unterbrach man die Werbung mit einer Wochenschau und dann noch mit solchen Klängen?
„Spektakuläre Wendung im Giraffen-Fall um den Stern von Memphis!“ dröhnte es marktschreierisch aus den Boxen, und ins Bild kam ein Kommissar Schrödinger, der Mann für die obskuren, hoffnungslosen Fälle.
„Ob mondsüchtig oder nicht, anscheinend waren die Täter besessen davon, der Regenbogenschlange den ihr entwendeten Stein zurückzugeben. Dumm nur, dass dieses Heiligtum der Öffentlichkeit schon seit einigen Jahren nicht mehr zugänglich ist und der besagte Opal aus Mexiko stammt.“
The time has come, a fact’s a fact, it belongs to them, let’s give it back.
Traumzeit oder Zeit des Fremdschämens? Eines war für Jenny klar: Dass es niemals eine gute Idee war, Romane für bare Münze zu nehmen und sich für Straftaten von Songtexten inspirieren zu lassen.
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So ein Zufall! Für den zweiten Teil habe ich tatsächlich alle Wortspenden in 500 Wörter verpackt. Das Festival in dieser Etüde gab es 2019 tatsächlich, aber ohne die von mir hinzu fabulierte Wochenschau, die mit dem Intro zu diesem Song das Publikum aufgeschreckt hat.