Wirklich neu ist an diesem Monat in diesem Jahr, dass mit großer Wahrscheinlichkeit noch eine Extra-Etüde winkt, denn wir haben fünf Sonntage. Bleiben wir aber erst einmal bei der aktuellen Ausgabe, zu der Myriade die Wortspende (Giraffe, mondsüchtig und suchen) geliefert hat. Bleiben möchte ich jedoch auch noch einmal bei einem älteren Thema: Tante Lissys achtzigster Geburtstag, bei dem die Gefühle eskaliert sind – siehe hier und hier.
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Lissy und der wilde Kaiser
Kaum hatte Jenny die kleine Königsfigur triumphierend in die Höhe gehalten, war es losgegangen. Ihr Telefon musste nur „Rude“ dudeln und Jenny kurzerhand ihr abwesendes Herzblatt einladen, und schon war Friedrich ob seiner Machtlosigkeit puterrot angelaufen. Selber schuld, hatte Lissy in diesem Moment gedacht, schließlich war es nicht die feine englische Art, den Jungen auszuschließen, wo doch alle anderen mit ihren Partnern dabei waren.
Ein weiteres Gedeck war schnell aufgelegt, da klingelte es auch schon, und der Kaiser’sche Spross stand mit zusammengebundenen Haaren vor der Tür, um auf seiner Gitarre ein Ständchen für Lissy anzustimmen. Kuchen wurde herumgereicht, vorbei an dem leeren, soeben noch von Friedrich besetzen Platz. Dem Rumpeln nach zu urteilen, musste Lissy nicht lange suchen, um ihn in der Küche zu vermuten. So ein Drama King! Hoffentlich riss er sich zusammen und mutierte nicht noch zum Wüterich.
Lissy verstand sowieso nicht, worin der „Verrat an der Familie“ nun eigentlich bestand.
Ricky, wie er sich nannte, hatte doch glänzende Manieren. Sogar an ein Geschenk, eingewickelt in mit bunten Giraffen bedrucktes Papier, hatte er gedacht, und überreichte es ihr formvollendet. Der kleine, zum Vorschein kommende Umschlag übertraf sogar die Kinokarten für eine Sondermatinee zu „Mondsüchtig“ mit Cher und Nicolas Cage, die sie von ihrer Schwester bekommen hatte.
Ein Zertifikat für eine Tierpatenschaft, herausgegeben vom Berliner Zoo für eines von fünf Giraffenbabys, getauft auf den Namen Lissy, und dazu ein Wochenende für zwei Personen mit Übernachtung ganz in der Nähe: Wie hatte der junge Mann das so schnell hinbekommen? Und das, wo er sie noch nicht einmal näher kannte? Aber auch wenn es eigentlich Jennys Idee gewesen war, es war die Geste, die zählte.
Auf das Wochenende mit ihrer Enkelin freute sie sich schon jetzt, und diese Vorfreude würde ihr auch Friedrich mit seinem Gemaule inmitten leerer Kuchenverpackungen nicht nehmen.
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Und wieder sind es genau 300 Wörter – für meine Fortsetzungs-Etüde.