Jubiläums-Edition – der Etüden-Spin-Off : Schlussakkord

Da ist er nun, der Schlussakkord, von anderen auch Epilog genannt – als Gegenstück zur Ouvertüre, ursprünglich auch Ankündigung genannt. Wozu ein Urlaub nicht alles gut ist… Wenn der Körper von der extremen Hitze gelähmt ist, aber der Geist bzw. die Fantasie umso aktiver (nahezu blühend, könnte man meinen), kommt so etwas dabei heraus. Die Gesamtübersicht aller Kapitel habe ich diesmal ganz ans Ende gesetzt, damit es hier gleich losgehen kann:

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Auf Eis gelegt – Schlussakkord

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Frühling ist’s, der Safran küsst mit zarten Hauch, Knospen gehen auf Kollisionskurs auch… Engel, o Du Engel mein, mögest Du immer die meine sein… Was andere konnten, das bekam Schrödinger schon lange hin. Welche Frau hätte sich nicht über ein solches Gedicht gefreut? Gerührt von seinem poetischen Einfall, griff er zum Hörer, um Giulias Nummer zu wählen, da kam ihm das Läuten des Telefons zuvor.

Der Chef! Besser gesagt, der Ex-Chef. Was der denn jetzt noch wollte? Sich mit ihm über den ungewönlichen Tausch unterhalten? Sich erkundigen, wie ihm die gute Seeluft bekam, da er sich auf dem neuen Areal bei Bali häuslich eingerichtet hatte? Oder gab es ein Problem mit Maren Fuchs?

„Nein, nein, alles gut“, zerstreute Haase seine aufkommenden Bedenken. Die neue Kollegin, für die Nowitzki vor vier Monaten ein gutes Wort eingelegt hatte, mache sich hervorragend, und er wolle eigentlich auch nur noch wissen, an welche Adresse genau er ihm seine persönlichen, in Berlin zurückgelassenen Sachen schicken solle.

Sie hatten noch eine Weile unverbindlich miteinander geplauscht, dann war Maren hinzugekommen und noch einmal nachgehakt, ob das Problem mit Miguel Andrés mittlerweile vom Tisch war. Zum Glück hatten sie dem feinen Herrn diesen Zahn ziehen können, und so hatte einem Treffen für den Tag, an dem der Transfer von Lara Förster endgültig über die Bühne gehen sollte, nichts mehr im Wege gestanden. Ach, Lara…

Nachdem er die Auswirkungen gewisser Himmelsphänomene am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, ergaben für ihn ihre blumigen Worte, mit denen sie ihren Brief an ihren Liebhaber ausgeschmückt hatte, auf einmal einen Sinn.

Safranstaubkussspuren, Knospenkollisionskurs, Irisreinkarnationslied…

Im Gegensatz zu Gavin, der mit ihrem verliebten Gesäusel vermutlich recht wenig hatte anfangen können, sah Schrödinger umso klarer die Zusammenhänge. Nicht umsonst galt er als Experte für mysteriöse und geheimnisvolle Fälle, die sich jeder menschlicher Logik entzogen und deren Lösung man auch nicht mit der berühmten Frage nach der Henne und dem Ei näherkam. Da beide untrennbar miteinander verbunden waren, hatte er diese Frage schon immer als müßig empfunden, doch nun brachte sie ihn erneut ins Grübeln.

Diesmal drehte sich das Rätsel jedoch um die Beziehung zwischen den vor Weihnachten erschienenen Phänomenen am Himmel von Bali und den beiden Engeln aus Marmor. Es war ihm gleich, ob nun das Himmelsleuchten die Engel aktiviert hatte oder das Leuchten auf den Einfluss der Engel zurückgegangen war – ihn interessierte, was am Tag von Lara Försters Verschwinden am Himmel zu sehen gewesen war.

Für ihn blieb nur noch eines zu tun: zu hoffen, dass die Astronomen, mit denen er diskret Kontakt aufgenommen hatte, ihm die richten Antworten auf seine Fragen lieferten.

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So würdevoll, wie die Beisetzung von Roberto Millefiores Urne von statten gegangen war, so unspektakulär hatte man Harry Brücks sterbliche Reste unter die Erde gebracht. Eine Analyse der DNA hatte bewiesen, dass es sich bei den vom Blitz verkohlten Resten tatsächlich um die des Abfallkönigs gehandelt hatte.

1977 –2021 : Hier ruht Harry Brück. Gier brachte ihm kein Glück.

Die schlichte Grabplatte stand zwar im Widerspruch zu der pompösen Beerdigung, die ihm zu Lebzeiten vorgeschwebt hatte. Da er es aber versäumt hatte, dergleichen rechtzeitig testamentarisch verfügen zu lassen, hatten sich die nächsten Angehörigen durchgesetzt und mit letzten Worten Ausdruck verliehen, wie sie wirklich zu ihm standen.

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An einem regnerischen Tag im Juni war es dann endlich soweit. Das Haus auf dem frisch von der Erbengemeinschaft Brück erworbenen Grundstück war bereit für den Einzug von Lara Förster. Auf richterliche Anordnung wurde die von Maren Fuchs begleitete junge Frau in ihre von Experten überwachte Wohneinheit geführt. Lebte sie sich gut ein und zeigte sich kooperativ, würde man ihr schon bald leichte Gartenarbeiten zuweisen.

Weit entfernt von den für Harry Brücks Verschwinden verantwortlichen Engeln, die man zu gründlichen und detaillierten Untersuchungen in einen abgelegenen Trakt der Einrichtung verbracht hatte – Untersuchungen, die ihre Zeit brauchen würden, vermutlich noch mehr Zeit als die Plakette an einem Baum im benachbarten Friedwald mit der unauffälligen Inschrift HB: 16.8.77–5.9.10: Daten, die bis auf das Sterbedatum verblüffend an die von Harry Brück erinnerten.

ENDE

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666 Wörter, mit denen die Sinfonie ohne Paukenschlag verklungen ist. Nie hätte ich gedacht, dass ich es schaffen würde, das mir selbst gesteckte Ziel, eine Monsteretüde mit Wortspenden aus fünf Jahren bis zum offiziellen  Start der regulären Etüden zu vollenden. Am Ende ist daraus ein Mystery-Krimi, beeinflusst von Geschichten um die Weinenden Engel aus dem Dr.-Who-Universum, geworden. Einen solchen Engel habe ich tatsächlich in ein paar meiner älteren Kurzgeschichten auftreten lassen (eine Frau namens Lara Förster verschwindet in der Vergangenheit, nachdem sie das Pech hatte, einer ähnlichen Statue zu begegnen.

Damit habe ich gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Und wem es bis hierher noch nicht aufgefallen ist: Inspiriert zu den Überschriften der einzelnen Kapitel haben mich die Titel „Der Hobbit, Teil 1“ (Akt 1), „Brügge sehen und sterben“ (Akt 2), „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean-Paul Sartre (Akt 3), „Der Engel, der ein Teufel war“, ein Film mit Alain Delon (Akt 4) und „Guglhupfgeschwader“ (Akt 5).

Es folgt zu guter Letzt noch eine Aufstellung sämtlicher Kapitel dieses etwas längeren Kurzromans.

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Erster Akt – Eine unerwartete Reise: Der hauptsächlich in hoffnungslosen Fällen ermittelnde Schrödinger wird in Zwangsurlaub geschickt und reist an die Ostsee. +++ Zweiter Akt 1/2 – Bali sehen und sterben: Schrödinger meldet sich bei einer Sternenwanderung an. +++ Zweiter Akt 2/2 – Bali sehen und sterben: Er erfährt, dass der Mann der Caféhausbesitzerin an einem Herzinfarkt gestorben ist, und dann wird bei der Sternenwanderung ein weiterer Toter gefunden. +++ Dritter Akt 1/2 – Geschlossene Gesellschaft: Kommissarin Maren Fuchs, bisher nur für eher leichte Delikte zuständig, wird zur Unterstützung der Ermittlungen abkommandiert. +++ Dritter Akt 2/2 – Geschlossene Gesellschaft: Maren Fuchs verhört Schrödinger und Giulia Millefiore. +++ Vierter Akt 1/3 – Der Engel, der ein Teufel war: Schrödinger und Giulia beschließen, auf eigene Faust im Stil von Miss Marple und Mr. Stringer Detektiv zu spielen. Derweil erregen seltsame Himmelsphänomene das Aufsehen der Medien. +++ Vierter Akt 2/3 – Der Engel, der ein Teufel war: Beim Trauercafé kommt Giulia Millefiore hinter eine Ungereimtheit. Mit Folgen. +++ Vierter Akt 3/3 – Der Engel, der ein Teufel war: Die Ermittlungen machen erste Fortschritte. +++ Fünfter Akt 1/4 – Matjesgeschwader: Die Spur wird immer verzweigter und lässt die Hintergründe für den Todesfall am Strand erahnen. +++ Fünfter Akt 2/4 – Matjesgeschwader: Ein Verbrechen kommt selten allein. +++ Fünfter Akt 3/4 – Matjesgeschwader: Ende gut, alles gut? +++ Fünfter Akt 4/4 – Matjesgeschwader: Lose Fäden laufen zusammen, doch für einen endet die Reise hier.

Das war’s – es hat mir unheimlich Spaß gemacht, mir in meinem Urlaub mal eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und mich bei einem nicht alltäglichen und teilweise übersinnlichen Thema auszuprobieren.

Das nächste Projekt wartet schon.

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6 Kommentare zu “Jubiläums-Edition – der Etüden-Spin-Off : Schlussakkord

  1. Ich blicke nicht durch, wer jetzt wann und wo und warum … Ich glaube, ich muss die ganze Geschichte noch einmal in der richtigen Reihenfolge am PC lesen, in der Hoffnung,, sie dann richtig sortieren und genießen zu können.
    Trotzdem, was für ein irres Projekt! Danke noch mal! 😀👍
    Abendgrüße 🌅🍷🧊🍪🌼👍

  2. Ich musste auch nochmal alles qzerlesen, um die Zusammenhänge zu verstehen. Ist bei so Fortsetzungsgeschichten aber fast immer so. 😅 Sehr spannend und positiv verworren. Hätte nie gedacht, dass die Geschichte noch solche Wendungen hat. Oh, und natürlich Respekt, dass du alle Wörter untergebracht hast. 👍

    • Vielen Dank – nachdem recht bald alle Wortspenden weg waren, musste ich mir etwas einfallen lassen, um die Geschichte zu einem halbwegs runden Abschluss zu bringen.

      Bei so vielen Personen war das nicht gerade einfach.

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