Eine Woche ist das neue Jahr schon alt, und endlich geht es bei Christiane in die neue Etüdensaison mit den von Ludwig Zeidler gespendeten Wörtern: Fluchtsieger — füttern — wunderbar. Und schon habe ich mit dem Fluchtsieger die erste Kopfnuss auf der Tastatur.
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Wohl bekomm‘s
„So, und nun esst schön eure Teller leer. Tante Ulla hat euch was ganz wunderbares zubereitet. Ihr wollt doch bestimmt, dass es auch morgen schönes Wetter gibt.“
Schönes Wetter? Iiiiek!
Wenn sie mir so kommt, dann weiß ich, was die Glocke geschlagen hat. Etwas ganz wunderbares zubereitet? Dann hat sie mal wieder ein ganz neues Rezept ausprobiert, das sie aus dem Fernsehen oder von Pinterest hat. Das perfekte Dinner? Nee, so nicht. Jedenfalls nicht mit mir.
Denn wenn das Essen erst mal vor mir steht, dann nimmt das Unheil seinen Lauf. Dann gibt es kein Erbarmen. Und wer sich ganz verweigern will, wird notfalls gefüttert. Was haben wir denn diesmal auf dem Tablett, das die Tante stolz vor sich herträgt?
Poutine! Oh je, Pommes mit Bratensoße, und das Ganze mit Schmelzkäse überbacken.
Schauder!
Ich muss mir das Desaster nicht anschauen, um zu wissen, dass ich diese Abscheulichkeit auch mit gutem Zureden nicht hinunterbekommen werde. Der Geruch alleine reicht schon.
Ah-oh! stachelt mich mein innerer Teletubby an, aufzuspringen und den Stuhl von mir zu schleudern, ihr in die Quere – damit ich beim Wegrennen einen ordentlichen Vorsprung vor meinen Kusinen und vor allem vor meiner Schwester habe und am Schluss aus diesem Rennen als Fluchtsiegerin hervorgehe.
Kapitel 16 *** Harry : Wenn der Kuchen spricht, schweigen die Krümel
People are terrified of me,and I want them to be.-Billie Eilish-
Na, wen haben wir denn da? Den Stein wollte mir Derek bringen. Und jetzt das? Ich kann mich kaum halten vor Freude, als ich den traurigen Haufen sehe, den Gary und Connor aus dem Van schubsen. Keine Zeugen, so war es im Vorfeld abgesprochen. Und was machen diese Idioten? Haben gleich vier davon am Start. Wäre doch gelacht, wenn Derek und ich die Vögel nicht zum Singen bringen würden. Und dann? Erst mal herausfinden, wie viel sie wissen, und wenn alle Stricke reißen: Weg mit Schaden.
Letzteres vielleicht auch früher. Denn wie sagte so schön Harada-San, mein japanischer Meister? Alles fließt… Und dass hier früher oder später etwas fließen wird, auch wenn von Tusche in diesem Fall nicht die Rede ist, kann ich ihnen jetzt schon prophezeien. Alles fließt? O ja, wie ich mich schon darauf freue: erst die Informationen, dann das Blut.
Alles fließt…
Wie seltsam, dass ich ausgerechnet jetzt an Harada-San denken muss. Harada-San, den Meister mit seiner ruhigen Art und dem Gong zu Beginn und Ende jeder Stunde. Kalligraphie, die Kunst des schönen Schreibens, im Zeitalter der virtuellen Tagebücher zu erlernen, darauf muss man auch erst einmal kommen. Und schon ist es wieder da: das Bild, wie ich Platz in der Stube nehme und mich auf die Tuschezeichen konzentriere, die der Meister auf seinen Bogen fließen lässt. Pinsel und Tuschestein glänzen im goldenen Sonnenlicht, die flüchtigen Silhouetten fallender Blätter spiegeln sich im bereitgestellten Wein.
Es dauerte nicht lange, bis das Spiel aus Licht und Schatten seine meditative Wirkung entfaltete und ich zusehends ruhiger wurde. Schon seltsam, was schon wenige Sitzungen bei dem japanischen Zen-Meister bewirken können, war ich aus dem Staunen kaum herausgekommen, wo doch alle Anti-Aggressions-Trainings dieser Welt bisher bei mir auf der ganzen Linie versagt haben. Doch wenn ich gedacht hatte, dass meine „Freunde“ meine Begeisterung teilen würden, war ich auf dem Holzweg.
Wie sie gelacht haben, als ich ihnen davon erzählte: Schaden kann es Deiner Klaue auch nicht… obwohl: Schreib lieber am Smartphone. Ist besser so.
Und das war nur eine der vielen spitzen Bemerkungen gewesen, die ich mir hatte anhören dürfen. Was soll das überhaupt werden? war es weitergegangen. Die Wiedergeburt von Federkiel und Siegellack? Schaff Dir doch gleich ein paar Brieftauben an oder reite mit dem Pferd zur Arbeit…
Wie geistreich! Aber sonst, Herr Doktor geht’s uns gut; schön, dass wir mit kreuzdämlichen Werbesprüchen die Mücke zum Elefanten aufblasen. Nach außen hin hatte ich mir nichts anmerken lassen, obwohl ich am liebsten explodiert wäre. Doch die Krönung waren die blöden Kommentare auf Instagram, einige davon fast schon unter der Gürtellinie.
Am liebsten hätte ich sie mit dem Smartphone erschlagen. Aber dadurch hätte ich auch nichts gewonnen, und außerdem hatte ich mir geschworen, es Harada-San gleichzutun und mich wenigstens äußerlich in Gleichmut zu üben, auch wenn mir der Meister darin haushoch überlegen war. Diese Seite von mir kannten sie noch nicht. Aber wer kennt schon seine Nächsten so genau?
Too much information, hätte Ruby jetzt gesagt. Ach ja, Ruby, die Derek ganz schnell klar gemacht hat, dass er langfristig nicht in ihrer Liga spielen wird. Die andere Ambitionen hatte und bei der nächsten Gelegenheit auf und davon war. Sehr zum Verdruss Dereks, der ja zum Glück so naiv war und ihr doppeltes Spiel wahrscheinlich bis heute nicht durchschaut. Blöd für ihn, gut für mich. Auch wenn der Spaß mit ihr nicht von Dauer war.
Aber irgendwie fehlt sie mir doch. Ganz bestimmt hätte sie noch ganz schnell nachgeschoben, dass aus „den Nächsten“ auch mal ganz schnell „die Fernsten“ werden können; was eben passiert, wenn man nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ die Kontakte nach und nach einstellt, sie sozusagen ausschleichen lässt. Wie so ein Medikament, das man besser nicht von jetzt auf gleich absetzt. Wegen der Entzugserscheinungen. Nicht, dass ich einen Entzug von meinen ach so tollen“ Freunden gebraucht hätte.
Aber wie heißt es bei den Klingonen doch so schön? Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Das, und mein Mantra. Alles fließt. Oh, wie ich damals in mich hineingelächelt hatte, bei dem Gedanken, dass sie irgendwann nichts mehr zu Lachen haben würden; ein Gedanke, bei dem mich stets eine ungeahnte Ruhe überkommt. So wie damals, als Harada-San höchstzufrieden beobachtete, wie sich mein Blatt beinahe wie von selbst füllte und ganz beseelt davon war, wie gut ich in kürzester Zeit die Grasschrift beherrschte. Zeit, Lektion zwei in Angriff zu nehmen: die perfekt kopierte Unterschrift.
Ich will mich ja nicht selbst oder meine hellseherischen Fähigkeiten loben, aber das Lachen war ihnen ganz schnell vergangen, als ihnen aufging, dass man mir trotz meiner Beteiligung an gewissen Deals nie etwas nachweisen würde. Catch me if you can? In diesem Punkt halte ich es wie Leo: Führ sie alle an der Nase herum, aber bitte mit Stil! Jedenfalls so lange, wie es sich als nützlich erweist. Denn im Gegensatz zu Mr. DiCaprio kann ich auch anders, wenn’s drauf ankommt. No more Mr. Nice Guy. Vor allem nicht dann, wenn ich es mit Dilettanten zu tun habe.
„Durchsucht sie, aber ein bißchen Pronto!“ weise ich Derek und Connor an, die die Umzingelten durch die Gittertür die Treppen zur Krypta hinuntertreiben. Der Tipp mit der abgelegenen Kirche war Gold wert. Unter der Woche verirrt sich nämlich niemand hierher, nicht einmal Touristen. Feuchtkalte Gemäuer ohne nennenswerte Kunstschätze in ihrem Innern sind Reiseführern nicht mal läppische drei Zeilen wert und daher nichts, was sich zu besichtigen lohnt.
Oh, wie ich dieses Gejammer über die elende Affenkälte liebe. Verwöhntes Pack! Die können noch froh sein, dass ich sie nicht einzeln strippen lasse. Das gäbe vielleicht ein Geschrei, vor allem bei der Göre mit den rosa Haaren. Diese Billie Eilish für Arme soll sich mal nicht so anstellen. Zuerst so eine Klapp, und jetzt plötzlich so klein mit Hut.
Hoffentlich ist hier bald Ruhe im Karton. Bei dem Gezappel ihrer Freundin, der Gary kurzerhand den Mund zugehalten hat, um sie zum Schweigen zu bringen, wird einem ja ganz schwindelig. Dem Typen, der mir bei dem Gerangel auf die Füße getreten ist, habe ich eins mit dem Knauf seiner Browning übergebraten.
Jetzt versucht Connor ihn wieder wach zu bekommen, nachdem die Visitation bei den anderen drei nichts gebracht hat. Entweder haben diese Herrschaften den Stein gut versteckt oder Connor und seine Leute haben gewaltigen Mist gebaut. Aber so oder so werden sie über die Klinge springen, wenn wir aus ihnen herausgekitzelt haben, wo sich das Juwel befindet.
Doch was ich dann höre, zieht mir doch glatt die feinen Budapester aus. Druiden. Wallende Nebel. Eine Insel, die vorher nicht da war… erwartet Mr. Sportsman hier, den Connor dann doch noch zum Singen gebracht hat, tatsächlich, dass ich diesen Mumpitz glaube? Doch andererseits… was haben wir schon zu verlieren?
Da die Mehrheit Jeffs Einwand, dass wir nichts zu verlieren hätten, für berechtigt hält, sind wir nun schon seit Stunden unterwegs in Richtung dieses ominösen Sees. Nichts zu verlieren? Wenn man von jeder Menge Zeit oder vom Verstand absieht, vielleicht… Dass letzteres nicht passiert, dafür werde ich schon sorgen. Hoffen wir, dass wir diese Druiden bald finden. Denn sonst kann ich für nichts garantieren.
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Die Vorlage zum 16. Kapitel: Gefangene Gruppe erzählt den Leuten von dem Stamm und dass dort der Schatz ist, alle zusammen machen sich auf den Weg dorthin, auch wenn die Jugendlichen nicht wollen (wenn es noch eine oder mehr Gruppen gibt, ist egal, was passiert).
Tweed & Greet by Selmin Ermis-Krohs: Der Slow Living & Fashion Blog aus Köln rund um das kreativere und entschleunigte Leben, DIY Mode & Lifestyle. Ein kreativer Blog voller Inspirationen und Tipps für selbstgenähte und nachhaltige Mode mit Stil, Refashion und Upcycling Ideen sowie DIY Anleitungen. Ein Blog voller Anregungen, die euch dabei anfeuern, mehr Kreativität in den Alltag zu bringen und auch mal etwas Langsamkeit zu zelebrieren.