# Writing Friday 2020 – April, 14. Woche : Das Pamphlet

 

Was bin ich froh, dass ich in meiner Freizeit genug Schreibprojekte und andere Arten der Beschäftigung habe, jetzt wo auch bei mir das Home Office angesagt ist. Andere nutzen ja jetzt exzessiv Netfllix, wenn sie nicht arbeiten müssen. Aber ich streame nicht, und deshalb fällt eines der fünf Schreibthemen des #Writing Friday auf dem Blog von elizzy für mich flach.

Mit den restlichen vier (ganz am Ende meines Beitrags aufgeführt) bin ich genug herausgefordert. Am liebsten habe ich ja die Aufgaben, bei denen man aus mehreren Begriffen einen Text zaubern soll. Aber auch die Aufgabe, aus einem vorgegebenen Anfang eine Geschichte zu entwickeln, hat für mich ihren Reiz, und deshalb beginne ich diesen Monat mit der dritten Aufgabe: Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz “Klara schmiss das Bild an die Wand, es war nun Zeit für…” beginnt.

Diesmal ist ein eigenständiger Text mit 875 Wörtern draus geworden, und kein Teil einer Serie.

 

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Das Pamphlet

Klara schmiss das Bild an die Wand, es war nun Zeit für…“

Halt!“ unterbrach Finn mich. „Schmiss: Das kannst Du so aber nicht schreiben!“

Gerade hatte ich zu einer detaillierten Beschreibung des Diavortrags ansetzen wollen, bei dem Klara nun zum nächsten Teil übergehen würde, und nun das!

Dieser Korinthenkacker mit seinem nervigen Verbesserungsfimmel! Wetten, dass das von mir nur gedachte „böse“ Wort mit K ebenfalls nicht in seinem Sprachgebrauch vorkam?

Ach, und welches Wort ist dem Herrn sonst genehm?“

Wenn ein Projektor bei Klaras Vorführung zum Einsatz kommt, dann schreib ‚projizierte‘ – wenn sie aber ihren Vortrag mit einem Beamer unterstützt, dann ‚warf“.“

Ich seufzte genervt. Auf was ich alles achten sollte. Seit Finn und ich uns bei einem Kurs für kreatives Schreiben angemeldet hatten, war er noch pingeliger als sonst. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich alleine dort hingegangen.

Okay, dann halt ‚warf‘: Sie warf das Bild an die Wand. Zufrieden?“

Nachdenklich kaute Finn an seinem Rotstift und arbeitete sich schweigend durch die Seiten. Hoffentlich fiel ihm nicht noch mehr ein, das ich seiner Meinung nach ändern sollte. Wenn er bei jedem Satz so kritisch war, würde mein ursprünglicher Text bald vor lauter Änderungen kaum mehr zu erkennen sein. Mein Geschichte über Klaras Diavortrag mit Hindernissen, auf die ich so stolz war, sollte hinterher ja schließlich noch ein Produkt meiner Fantasie bleiben.

Präzision war ja etwas Schönes, und wenn ein Text stilistisch gut ausgearbeitet war, las er sich bestimmt auch viel besser. Aber mir war bei einer Geschichte wichtiger, dass mich die Handlung in ihren Bann zog. Da kam es mir wirklich nicht auf jedes einzelne Wort an, beziehungsweise darauf, wie gewählt sich der Autor oder die Autorin ausdrückte. Und in meiner ging es darum, dass sich meine Heldin und jemand während des mit Pannen durchsetzten Vortrags Hals über Kopf ineinander verlieben sollten. So war der Plan. Und Finn sollte ja nicht auf die Idee kommen, ihn mir zu durchkreuzen.

Als er mir meine Blätter zurückgab, traute ich meinen Augen kaum. In den meisten der Absätze tummelten sich Anmerkungen in Rot. Zum Glück hatte er vorwiegend Rechtschreib- oder Grammatikfehler gefunden und sich dafür mit Kritik an meinem Spannungsbogen sehr zurückgehalten.

Schöne Geschichte, Sarah“, sagte er anerkennend, „nur mit der richtigen Wortwahl hapert’s hier und da.“

Ich wusste ja, was er meinte, denn Synonyme, die seiner Meinung nach den Satzbau geschmeidiger machen würden, hatte er bei dieser Gelegenheit auch gleich vorgeschlagen. Wie fürsorglich von ihm, dachte ich, ja ja, der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.

Nun war ich auf sein Manuskript gespannt.

Finn zog es umständlich aus der Tasche, räusperte sich und schob die Seiten zu mir hin.

Fasziniert begann ich zu lesen. Ich wusste, er war ein wandelnder Duden auf zwei Beinen. Ich  erwartete ein unentdecktes Juwel voller brillanter Ideen. Gespannt arbeitete ich mich durch die Absätze, in denen Finn schilderte, wie er an einem schönen Sommertag in einem Biergarten die Frau seines Lebens erblickt und zwischen ihnen sofort die Funken sprühen.

Grammatikalisch und was die Rechtschreibung anging, hatte ich an seiner Geschichte nichts auszusetzen. Aber die Formulierungen! Erst ließ er sich seitenlang über das schöne Wetter und den herrlichen Tag aus, um noch ein paar Passagen über das Motorrad der schönen Unbekannten einzustreuen, bevor er endlich zum entscheidenden Punkt kam.

In diesem Augenblick stand die Zeit für uns beide still. Als sich unser beider Blicke trafen, wusste ich, dass sich mein Leben auf schicksalhafte Weise unwiderruflich verändern würde. Das Strahlen ihrer eisblauen Augen, umrahmt von langen, dunklen Wimpern, raubte mir den Atem, und es war um mich geschehen.“

Die wenigen Worte, die diesem Absatz folgten und den Abschluss bildeten, ignorierte ich ganz. Was ich da soeben gelesen hatte, ließ mich ratlos innehalten. Wie sollte ich Finn nur beibringen, was ich von seinem Werk tatsächlich hielt? Machwerk traf es eher.

Zwar hatte die Wochenaufgabe „Schildert eine folgenreiche Begegnung zwischen zwei Menschen“ gelautet, aber deswegen musste er doch nicht gleich dermaßen auf die Tränendrüse drücken. Tränendrüse: Tränen der Freude oder der Rührung waren es nicht, die sein Pamphlet bei mir auslöste, sondern die des Fremdschämens. Doch auch wenn es unangenehm war, durfte ich Finn die Antwort nicht schuldig bleiben. Verlegen räusperte ich mich.

Dass sich mein Leben auf schicksalhafte Weise unwiderruflich verändern würde… Oh mei – das ist Kitsch pur, und das weißt Du auch.“

Kaum waren mir die Worte entflohen, hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt. Aber nun war das vernichtende Urteil gesprochen und der Schaden angerichtet. Nun würde sich zeigen, wie viel an der Weisheit, dass sich gute Freunde alles sagen konnten, tatsächlich dran war.

Kitsch pur!“ wiederholte Finn meine Worte. „Meine Story. Aha. Was erwartest Du? Bei dem Thema! Den Pulitzerpreis?“

Ha ha. Natürlich nicht. Und das sagte ihm auch. Vielleicht war meine Kritik zu harsch und missverständlich gewesen. Es war ja auch nicht die ganze Geschichte, sondern nur der letzte Absatz, der einer dringenden Überarbeitung bedurfte. Und so eingeschnappt Finn auch auf mich wirkte, ich war mir sicher, wir würden auch das in den Griff bekommen. Bei einer schönen starken Tasse Kaffee.

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Die Schreibthemen im April:

1) Was macht für dich ein gutes Buch aus? +++ 2) Schreibe eine Geschichte und flechte darin folgende Wörter mit ein: Hoffnung, genüsslich, Wind, verletzt, Hindernisse +++ 3) Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz “Klara schmiss das Bild an die Wand, es war nun Zeit für…” beginnt +++ 4) Dein Netflix Konto packt aus – was lief dort die letzten paar Wochen? +++ 5) Versuche “Er war verliebt” in einer Szene zu beschreiben, ohne die Wörter “Liebe” oder “verliebt” zu gebrauchen.

Und hier nochmal die Regeln:

Jeden Freitag wird veröffentlicht. +++ Wählt aus einem der vorgegebenen Schreibthemen. +++ Schreibt eine Geschichte/ein Gedicht/ein paar Zeilen – egal, Hauptsache ihr übt euer kreatives Schreiben. +++ Vergesst nicht, den Hashtag #Writing Friday und den Header zu verwenden, schaut unbedingt bei euren Schreibkameraden vorbei und lest euch die Geschichten durch. +++ Habt Spaß und versucht, voneinander zu lernen.

Ein Kommentar zu “# Writing Friday 2020 – April, 14. Woche : Das Pamphlet

  1. Tja, da hat wohl jemand die erste Regel der konstruktiven Kritik missachtet: Erst das Gute bennennen! 😉
    Schön gelöst mit dem Satz, aber ich habe sicherlich auch schon „an die Wand schmeißen“ gesagt.
    Hab ein schönes Wochenende.

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