Dienstags-Gedudel #10 : Der Erklärbär – Teil 1

 

Das „Gedudel“ entwickelt sich zum Soundtrack zu meinem Fortsetzungsepos, bei dem ich auf eine Playlist verzichtet habe, weil sie nichts zur Handlung beigetragen hätte.

Weil aber nicht jeder die darin erwähnten Songs kennt, mutieren meine Beiträge zur Aktion von nellindreams zum Erklärbären. So viel zum Thema Horizonterweiterung.

 

 

Den Anfang macht Zola Jesus mit „Seekir“ vom 2011er Album „Conatus“, auf das ich im folgenden Jahr durch einen Zeitungsartikel aufmerksam geworden bin. Den habe ich während meiner Zugfahrt nach Berlin gelesen und fand das darin beschriebene Album höchst interessant – ein Kauf, den ich nie bereut habe (https://www.youtube.com/watch?v=qHRFqjGCUvU)

 

 

 

Media Monday # 457 : Home alone

 

 

Vielleicht sollte ich mal wieder den Film „Kevin allein zu Haus“ gucken, denn im Original heißt er „Home Alone“, und genau so habe ich mich in der vergangenen Woche gefühlt. Den einzigen Kontakt zur Außenwelt hatte ich übers Telefon und dann, wenn ich einkaufen ging. Und von den Pollen ausgeknockt zu werden, ist ebenfalls nicht lustig.

Vielleicht kann mich ja der Media Monday auf andere Gedanken bringen.

Media Monday # 457

1. Um sich Zeit und Langeweile zu vertreiben, taugt meiner Meinung nach für mich das ein oder andere Schreibprojekt immer gut, denn dabei kann ich in andere Welten abtauchen und die Erinnerung an besondere Erlebnisse wieder aufleben lassen.

2. Bei Youtube kann man sich übrigens eine Filmbiografie über Johnny Cash ansehen. Das lohnt sich, weil man darin nicht nur viele Originalaufnahmen bewundern kann, sondern ein anderthalb Stunden viel über ihn erfährt.

3. Sonst kommt man ja auch viel zu selten dazu, die Bude aufzuräumen, aber mir fehlt der richtige Schwung dazu.

4. Wenn es einfach nur um ein wenig Beschallung / Berieselung geht kann ich auf eine umfangreiche CD- und LP-Sammlung zugreifen, und zur Zeit lasse ich mich gerne mit Nelly Furtado, Kate Bush, Michael Hutchence und Lenny Kravitz berieseln. Die habe ich auf meinem Festplattenrecorder im Schlafzimmer und kann die Musik beim Lesen und Schreiben nebenbei laufen lassen.

5. Was man daheim mindestens so gut genießen kann wie auswärts, wird mit voranschreitender Zeit vermutlich immer weniger werden. Hoffentlich ist das Drama bald ausgestanden.

6. Mein angefangenes 3D-Puzzle „Big Ben“ mit Beleuchtung ist vielleicht etwas, dem man sich ich mich auch mal widmen könnte, schließlich habe ich nach drei Monaten endlich das begehrte Ersatzteilchen zugeschickt bekommen, da wäre es doch unfair dem netten Kundenservice gegenüber, wenn das Werk sang- und klanglos in der Schachtel verstaut bliebe.

7. Zuletzt habe ich mich an einer Schreibübung mit maximal 500 Wörtern versucht, und das war eine ganz merkwürdige Erfahrung, weil die Handlung in eine Richtung lief, die ich so nicht vorhergesehen habe und bei der eine der beteiligten Personen als höchst unsympathisch rüberkam. Dabei hatte ich sie so nicht angelegt. Vermutlich ist jetzt Corona auch daran schuld, da liegen ja bei einigen die Nerven blank. Ich sehe schon, da muss ich was unternehmen, bevor das bei den beiden ein ungutes Ende nimmt.

ABC -Etüden – Woche 14 : Extra-Etüde

 

Nur in dieser Woche gibt es die Extra-Etüde, frisch angekündigt von Christiane: Von den sechs letzten Wörtern (gespendet von Corly und Elke H.)…

Sonnenuntergang /warm/ fliegen /Forsythien/lächerlich/ erfrieren

… dürfen wir uns fünf aussuchen, um sie in einem Text mit bis zu 500 Wörtern einzubauen, egal welcher Art. Lasst Euch nicht von Corona triggern.

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On the road again

Mach dich doch nicht lächerlich, Tim“, hatte Delia mich angefaucht, als ich ihr schonend beibringen wollte, dass es mit unserem verlängerten Wochenende nichts werden würde. Den blöden Witz vom Bodennebel zu Ostern hätte ich besser gelassen, und dass ich jetzt rund um die Uhr LKW fahren durfte, anstatt mit meiner Süßen das warme Wetter und den Sonnenuntergang am See zu genießen, hätte ich mir so vor ein paar Wochen auch noch nicht vorgestellt. Rausgehen sollten wir ja auch nicht mehr.

Aber wenigstens hatte ich meinen Job noch. Schließlich mussten die ganzen ALDIs, LIDLs, EDEKAs und REWEs in unserer Region mit dem so dringend benötigten Toilettenpapier und anderen händeringend gesuchten Artikeln beliefert werden. Da war Home Office, so wie bei Delia, nicht möglich. Und die Gefahr, dass wir uns gegenseitig auf den Keks gehen, wenn wir rund um die Uhr aufeinander hocken, bestand auch nicht. Das Zeug beamt sich halt nicht auf Knopfdruck oder von alleine in die Märkte. Wie hatte ich nochmal so schön zu Delia gesagt? „Dieser Monat ist echt für den Allerwertesten!“

Meinen flapsigen Spruch hatte sie gar nicht lustig gefunden – ich dagegen ihre Idee, bei dieser Gelegenheit gleich ein paar Pakete für uns abzuzweigen, noch viel weniger.

Klar, Süße, kann ich machen, wenn ich Bock darauf hätte, aus meinem Job zu fliegen!“ Klauen ging gar nicht, und Diebstahl stand auf der Liste der Kündigungsgründe ganz oben. In so einem Fall wäre fehlendes Klopapier noch unser kleinstes Problem – dann konnten wir uns meinen Papieren den Hintern abwischen.

Als ob ich nicht längst selbst auf die Idee gekommen wäre und gefragt hätte. Aber nein, es durften sich bereits die Marktangestellten ihren Teil beiseite legen, wenn jetzt auch noch die LKW-Fahrer damit anfingen… Die Antwort hatte Nein gelautet. Wenn ich jetzt trotzdem zugriff, wüssten sie gleich Bescheid, und ich wäre geliefert. Aber Delia wollte davon nichts hören, und motzte mich weiterhin an. Frohe Ostern!

Irgendwann war ihr der Kragen geplatzt und sie hatte mich rausgeworfen. Na prima.

Und jetzt? Schlafe ich halt wieder in meiner Fahrerkabine. Wenigstens haben wir jetzt Frühling, da werde ich schon nicht so schnell erfrieren. Und wenn alle Stricke reißen, ziehe ich halt wieder bei Chris ein. Der kann jeden Euro gebrauchen, wenn ihm die Aufträge ausbleiben.

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Eine Extra-Etüde mit 375 Wörtern – da bedanke ich mich doch gerne bei Christiane, von der auch die hübsche Illustration ganz oben stammt.

„Broken Strings“ : Chapter 2 – OxyGen

 

Hey Lady, Mark hat mir gesagt, was los ist…“

Aaargh. Lady? Damen sind elegante Erscheinungen und laufen nicht in Jeans und T-Shirt durch die Gegend. Und am allerwenigsten findet man sie in Pubs oder Bars, in denen leger gekleidetes Publikum unterwegs ist. So bezeichnet zu werden, hasste ich wie ins Fadenkreuz zu geraten. Aber gut, dass er jetzt endlich auch Bescheid wusste.

„… kein Wunder, dass es Dir nicht gut geht. Normalerweise soll da Brandy helfen.“

Ich bezweifelte zwar noch immer, dass Alkohol die Lösung schlechthin sein sollte, aber etwas in seiner Stimme ließ mich ihm Glauben schenken… nur ein kleines Schlückchen…

Mein Gott, Du hast ja eiskalte Hände!“, bemerkte er entsetzt, als sich unsere Finger für einen kurzen Moment berührten. „Du musst ja erbärmlich frieren, so blass wie Du bist.“

Vielen Dank dafür, dass ich jetzt weiß, wie scheiße ich aussehe, dachte ich, während er meine Oberarme umfasste

„Das geht ja gar nicht. Hier, nimm meine Jacke“, und schon hatte er mir seine abgewetzte Lederjacke um die Schultern gelegt. Die war mir mindestens eine Nummer zu groß und noch warm vom Tragen. Besser als die kratzige Decke, die nun nutzlos am Boden lag.

„Danke, das ist echt nett von dir“, brachte ich gerade noch heraus.

Das ist doch selbstverständlich, nachdem, was du für Steve getan hast…“

Für Steve getan? Ratlos schaute ich ihn an. Steve? Wer war Steve?

„Du hast echt keine Ahnung?“ Woher sollte ich? „Ähm – der, den die Ambulanz mitgenommen hat…“

Anscheinend war ich heute schwer von Begriff, und der Brandy half mir auch nicht auf die Sprünge.

„… der, den Du versucht hast, wiederzubeleben – Steve gehört zu unserer Crew.“

Oh nein, das wurde ja immer schlimmer. Jetzt kannte er den armen Kerl auch noch persönlich. Wie sollte man ihm jetzt beibringen, dass das, was ich angeblich für ihn getan hatte, völlig umsonst gewesen war?

Hey, was ist los?“

Anscheinend wurde auch ihm das Ganze immer unheimlicher, so wie er mich ansah. Vor allem, weil ich gegen die Tränen, die jetzt kamen, nichts machen konnte. Jetzt bloß nicht heulen!

Du bist ja völlig fertig.“

Was sollte ich darauf erwidern? Es stimmte ja, aber das war mir jetzt auch kein Trost. Trotzdem versuchte er weiter, mich zu beruhigen, legte einen Arm um meine Schulter und zog mich an sich.

„Hier, nimm noch ’nen Schluck Kaffee.“

Keine Ahnung, wie lange wir da so saßen, aber so langsam bekam ich das Gefühl, dass die Kombination aus Umarmen und Festhalten, heißem Kaffee und der wärmenden Lederjacke dazu beitrug, dass sich meine Anspannung nach und nach löste und irgendwann meine Tränen versiegten.

„Besser?“ – er reichte mir die Papierserviette, die er zusammen mit dem Brandyglas bekommen hatte. „Hier, Taschentücher sind gerade alle.“

Zum Schneuzen musste das reichen. Aber er lag richtig mit seiner Vermutung: Ich fand meine Stimme wieder.

„So, und nun sagst Du mir, was genau los ist. Steve müsste inzwischen im Krankenhaus sein, die werden ihm da schon helfen.“

Ihm helfen? „Und wenn sie ihm nicht mehr helfen konnten?“ erwiderte ich.

Entgeistert starrte er mich an: „Wie kommst Du denn darauf?“

Na, mir haben sie doch gesagt, ich könne jetzt aufhören, und haben mich von ihm fortgezogen. Was nur eins bedeuten kann…“

Ja, dass ab jetzt der Rettungsdienst für Steve zuständig ist und sie ihn mitnehmen. Was dachtest Du denn?“

Gute Frage. Was sollte ich darauf antworten? Dass er es nicht geschafft hatte, weil er sich nicht mehr rührte? „Dass er nicht mehr aufgewacht ist…“

Was, Du hast wirklich geglaubt, er hat es nicht geschafft?“

Schon seltsam, wie wir uns beide um die Formulierung, dass er vielleicht tot sein könnte, herumdrückten. Aber, wo er mich das fragte, dämmerte mir auch gleichzeitig, dass ich vor lauter Panik das Nächstliegende nicht sah, dass meine Hilfe für ihn doch nicht zu spät gekommen war.

Ganz ruhig; Brian ist mit dem RTW mitgefahren und gibt Mark Bescheid, wenn er Genaueres weiß. So lange müssen wir halt warten.“

Ich wusste, er meinte es nur gut, aber das Warten war das Allerschlimmste. Warten hasste ich wie die Pest, denn in der Vergangenheit hatte ich nur all zu oft warten müssen, und daher wusste ich, wie sehr einen das zermürben kann. Erst der Unfall mit dem Elektrozaun, und jetzt das hier. Schon hatte ich erneut das Brandyglas vor der Nase. Noch mehr Alkohol. Vielleicht hatte er ja wirklich Recht, und es gab doch noch Hoffnung, und vielleicht würde das Zeug, auf Ex getrunken, mich so weit runterfahren und so schläfrig machen, dass sich die Angst einigermaßen in Schach halten ließ. Eines würde es aber vielleicht sogar auf jeden Fall: das Warten erträglicher machen.

Ob die einlullende Kombination aus der Fahrstuhlmusik im Hintergrund und dem Brandy dafür sorgte oder die Tatsache, dass ich nicht alleine herumsitzen musste, sondern mich in Gesellschaft befand… mich beschäftigte ein Gedanke, der sich wie ein Mantra ständig wiederholte: Warten, warten… unser halbes Leben verbringen wir gefühlt mit Warten, aber wenn wir nur immer so genau wüssten, worauf. Manche schreiben sogar Songs darüber: All we can do is sit and wait.

Willkommen im Kabinett der Absurditäten: Auch wenn es bessere Voraussetzungen gibt, um miteinander ins Gespräch zu kommen, aber genau so lernte ich Mike Mitchell kennen. Dass keinem von uns das Warten Spaß machte, lag auf der Hand, aber deswegen mussten wir nicht auch noch vor uns hin schweigen, zumal ich mir unangenehmere Dinge vorstellen konnte, als mit einem Unbekannten ein Gespräch anzufangen – dank des schließlich doch noch wirkenden Brandys und meiner nachlassenden Anspannung eine leicht zu bewerkstelligende Übung. Smalltalk als Ablenkung? Mag sein, dass andere das oberflächlich fanden und von echter Entspannung keine Rede sein konnte, aber ich war mittlerweile fest davon überzeugt, dass niemand die Absicht gehabt hatte, mich betrunken zu machen und die Situation auszunutzen.

Bald waren wir auch schon an dem Punkt, an dem ich meine Work-and-Travel-Zeit noch einmal Revue passieren ließ, wobei ich den Teil mit dem Elektrozaun bewusst aussparte. Mike schien sich zwar dafür zu interessieren, warum es mich in diese Ecke Kanadas verschlagen hatte, aber deswegen musste ich ihm noch lange nicht meine Unfähigkeit auf die Nase binden, dank der ich meinen Job so gründlich vergeigt hatte. Dabei war „electric fencing“ genau mein Spezialgebiet gewesen.

Nach meiner bestandenen Gesellenprüfung zum Elektriker hatte ich etwas von der Welt sehen wollen. Den geografischen und beruflichen Horizont zu erweitern, war genau das, was mir vorschwebte. Warum nicht an einem Work-and-Travel-Programm teilnehmen? Das war mir in dem Moment klargeworden, als ich über den Werbetext einer australischen Firma im Internet gestolpert war: „Hungry, worm-ridden kangaroos in large numbers make a significant dent in feed and water that was originally destined for sheep…“ – was man halt so schreibt, um potentielle Kunden von den Vorzügen seiner elektrischen Zäune zu überzeugen, aber musste es unbedingt Australien sein, wo jeder hinwollte? Warum nicht Kanada? Den amerikanischen Kontinent hatte ich schon immer faszinierend gefunden…

Rrrrring!“ – wie ich diesen antiquierten Klingelton, der immer noch in war, und das auch noch weltweit, hasste! Aber andererseits war das vielleicht der Anruf, auf den Mark so dringend wartete. Wie elektrisiert – um bei dem Bild zu bleiben- starrten Mike und ich ihn an, und es dauerte eine Weile, bis der Groschen fiel. Ja, es war der erlösende Anruf. Und ja, Steve hatte den Anfall einigermaßen überstanden, musste aber zu weiteren Untersuchungen im Krankenhaus bleiben. Das Herz. Mit so einem Anfall war nicht zu spaßen. Arbeiten würde er erst einmal bis auf weiteres vergessen können. Schwere Werkzeugtaschen zu schleppen, fiel für ihn über einen längeren Zeitraum hinweg flach.

„Mehrere Wochen?“ – Mark war sichtlich „not amused“, genau so wie die beiden anderen, die inzwischen auf der Bildfläche aufgetaucht waren und nun ebenfalls betreten aus der Wäsche schauten: Schon blöd, wenn das unentbehrliche Crewmitglied, das für die Elektrik zuständig war, plötzlich von jetzt auf gleich wegen eines Herzinfarkts ausfiel. Crewmitglied. Ich verstand immer nur ‚Crewmitglied‘, was für mich gleichbedeutend mit Bahnhof war.

Ich hatte keine Ahnung, um was für eine seltsame Truppe es sich bei dieser Zufallsbekanntschaft handelte. Hoffentlich gehörten Mark, Danny, Ryan und Mike zu keinem Motorradclub, denn auf die kanadische Version von „Sons of Anarchy“ so kurz vor meinem Abflug hatte ich nicht die geringste Lust. Da konnte Mike noch so charmant und zuvorkommend sein, aber das war mein persönliches Knockout-Kriterium schlechthin. Manche Pechsträhnen waren wohl generell nur in XXL zu haben, niemals dagegen in XS, denn dann hätte man sie ja mit einem Schulterzucken abtun können.

So, wie ich die Lage einschätzte, hatte ich den passenden Zeitpunkt für den Absprung kurz vor der Talfahrt ohne absehbares Ende schon lange verpasst. Und dank meines nicht funktionierenden Totstellreflexes hatte ich auch nicht mitbekommen, wie lange man mich schon anstarrte, ähnlich Schlangen, die ihre Beute ins Visier nehmen… „Du hast wirklich keine Ahnung?!…“

Keine Ahnung? Wovon? Oh ja, dass ich keinen Plan hatte, wie es jetzt für mich ohne Geld weitergehen sollte, war zwar offensichtlich, aber wohl nicht das, was Mark meinte. Mehr zuhören, weniger grübeln, das war wohl das, was ich unbedingt noch auf meine To-Do-Liste setzen musste.

Du weißt aber schon, dass Du was bei uns gut hast,“ wiederholte Mark und sah mich inzwischen schon leicht genervt an.

Ja, ich wusste, er hielt mich nicht für die hellste Kerze auf der Torte, aber zum Glück wäre ich in ein paar Tagen schon auf dem Rückweg in mein altes Leben, was spielte es da schon für eine Rolle, was er von mir dachte?

„Schließlich hast Du Steve das Leben gerettet.“

Wahrscheinlich hatte er das schon mal zu mir gesagt, aber da ich nun selbst schon glaubte, dass ich heute extrem lange zum Denken brauchte, war die Bedeutung seiner Worte bisher noch nicht zu mir durchgedrungen. Dass ich etwas bei ihnen gut hatte? Mir wollte partout nichts einfallen, womit er und seine Kollegen sich bei mir revanchieren konnte. Außerdem mochte ich es gar nicht, wenn irgendwer bei irgendwem in irgendeiner dubiosen Schuld stand.

Wenn ihr mir ein Taxi spendieren könntet, damit ich…“

Damit schien nun aber wiederum Mike nicht einverstanden zu sein. Nach meinem Einsatz heute Abend als alleinigen Dank nur ein popeliges Taxi zu bestellen, sollte schon alles gewesen sein? Da ging doch bestimmt noch mehr.

„Was besseres fällt Dir nicht ein?!“

Ich wusste wirklich nicht, warum er sich so anstellte – schließlich war es doch das Einfachste für alle Beteiligten, wenn man mich meiner Wege gehen ließ. Reichte es nicht, wenn man sich bei mir bedankte und es damit gut sein ließ? Wenn es nach Mike ging, eher nicht, denn mit dem, was er jetzt seinen Kollegen vorschlug, hatte niemand gerechnet, und am allerwenigsten ich.

Ich weiß, mein Vorschlag kommt jetzt überraschend“, fing er an und nahm Marks Smartphone an sich, bevor der in hektischen Aktionismus und wildes Herumtelefonieren verfallen konnte, „aber ich glaube, wir können uns die Suche nach einem Temp sparen.“

Mark, Danny und Ryan schauten genauso ratlos aus der Wäsche wie ich, aber im Gegensatz zu mir, machte es bei ihnen schneller Klick. Mit vorübergehendem Ersatz meinte er jemanden, der Steves Job übernehmen konnte, solange der außer Gefecht war. Das konnte doch unmöglich wahr sein: ein Jobangebot für mich, weil sie zwar niemanden für das Reparieren von Elektrozäunen suchten, aber für elektrisches Gefrickel jeglicher Art? All things electric – your chance of a lifetime? Im Prinzip schon, nur hätte ich gerne gewusst, was auf mich zukommen würde, wenn ich das Angebot annahm.

„Ob du auf ’ner Farm oder auf Baustellen gearbeitet hast, macht doch keinen Unterschied. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, ist Dein Visum doch noch gar nicht abgelaufen, oder?“

Das stimmte zwar, denn nüchtern betrachtet, hätte ich meine Zelte nicht vorzeitig abbrechen müssen; ich hatte mich aus rein privaten Gründen dafür entschieden, jetzt schon nach Hause zu fliegen und nicht erst in drei Monaten.

Und außerdem: Was hast Du denn schon groß zu verlieren?“ Guter Punkt. Zu verlieren hatte ich tatsächlich nichts. „Im Gegensatz zu uns…“

Im Gegensatz zu Euch? Jetzt hätte ich schon gerne gewusst, was er damit meinte. Anscheinend lief ihm und seinen Leuten die Zeit davon, aber warum bloß? Wenn Du nicht bald mit der Sprache herausrückst, dachte ich, dann…

Okay, okay“, schaltete sich Danny ein, „da Du ja“ – er wandte sich an mich – „übrigens, wie heißt Du eigentlich?“

Andie“

Okay, Andie – da Du ja nicht weißt, was los ist, also schön: Steve ist für alles Elektrische zuständig…“

Ja, das war auch das Einzige, was ich bisher verstanden hattte.

„… und sollte eigentlich mit uns ab Freitag auf Tournee gehen.“

Wie jetzt? Mit Euch in fünf Tagen auf Tournee gehen? Jetzt verscheißert Ihr mich aber, indem ihr mir erzählen wollt, Ihr seid ’ne Band mit dringendem Personalbedarf? Und dass Ihr selbständig und in Eigenregie Jobs vergeben könnt und dazu kein Management braucht?

Entweder war das hier eine kleine, unbekannte Band, die alles selbst entscheiden durfte, oder sie waren so berühmt, dass das Management ihnen freie Hand ließ. Zu dumm, dass ich mich mit der kanadischen Musikszene so überhaupt nicht auskannte und mir als einzige Band aus Vancouver neben Nickelback und Conjure One nur noch Orchards & Vines einfiel.

Falls Du Danny nicht glaubst, sieh Dir ruhig die Plakate im Eingangsbereich an.“

Ryan, der bisher auch noch nichts gesagt, sondern sich lieber an seinem Bier festgehalten hatte, gab jetzt auch noch seinen Senf dazu. Na super – wie viele von denen versuchten denn noch, mich zu überreden? Garantiert hatte Mike mir vorhin davon erzählt, aber ich hatte blöderweise davon nichts mitbekommen; jedenfalls stand das Match bislang vier zu eins – mit ungewissem Ausgang. Das war das Stichwort. Ryan hatte zwar vom Eingangsbereich gesprochen, der auch zugleich als Ausgangsbereich diente, aber da die besagten Plakate auch an der Wand gegenüber klebten, musste ich nicht mal aufstehen.

OxyGen“ – nie gehört. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich, denn mein Wissen über das, was gerade angesagt war, hielt sich doch stark in Grenzen – und der Name dieser Band lag jenseits davon. OxyGen – Sauerstoff… Wie kam man bloß auf so einen Namen? War einer von denen vielleicht ein Bewunderer von Jean-Michel Jarre? Das Plakat also: Offensichtlich inspiriert von der Elemententafel aus dem Chemieunterricht – mich erinnerte es eher an das Logo der Serie „Breaking Bad“.

Schön, sie hatten heute ihren Auftritt gehabt, wollten danach nur noch etwas trinken und waren in dieser Bar gelandet. Dass es ihren Elektrospezialisten ebenfalls hierher verschlagen hatte, konnte man als Zufall sehen oder auch nicht. Für das Ergebnis spielte das keine Rolle. Na, das hatte mir gerade noch gefehlt. Die Herren waren zwar keine Mitglieder eines Motorradclubs, aber gehörten zu einer Band, die aus insgesamt sechs Leuten bestand: Zwei Gitarristen, einem Bassisten, einem Schlagzeuger, einem Mann am Keyboard und einem Sänger. Wer hier wohl wer war? Auch das hätte ich sicherlich erfahren, wenn ich Mike besser zugehört hätte. Aber die Frage war sowieso überflüssig, wenn ich das ach so verlockende Angebot ausschlug. Am liebsten hätte ich eine Nacht darüber geschlafen, aber angesichts meiner misslichen Lage, hatte ich keine Ahnung, ob mir noch so viel Zeit bleiben würde.

Du musst dich nicht sofort entscheiden.“

Na, das wollte ich doch stark hoffen, auch wenn in fünf Tagen die große Tournee durch Kanada starten sollte, und zwar durch Pubs, Bars und kleinere Hallen: Vancouver, Edmonton, Calgary, Montréal, Halifax – nein, nicht in diesen großen Städten, das wäre der absolute Traum gewesen. Schon allein die 3000 Kilometer zwischen Calgary und Montréal machten dies unmöglich, wenn ihnen nur ein begrenzter Zeitrahmen von zwei bis drei Monaten und ein noch begrenzteres Budget zur Verfügung stand. Nein, die Reise sollte sie quer durch British Columbia führen, die Küste rauf und runter, immer in kleinere Städte, denn dort waren die Übernachtungen günstiger. Zum Schluss sollte es dann noch nach Calgary gehen und über Edmonton wieder zurück nach Vancouver. Die Strecken fein aufgeteilt in kleinere Etappen.

Da bekam „Work & Travel“ doch gleich eine ganz andere Bedeutung. Jetzt aber genauer darüber nachzudenken, machte mir Mike jedoch unmöglich, denn während seine Kollegen noch über seinen Vorschlag diskutierten, zog er mich vom Sofa hoch und stellte fest, dass man diesen grandiosen Einfall und meinen heroischen Einsatz genauso gut feiern konnte, anstatt dumm auf dem Sofa herumzusitzen. Wo nahm der Mann nur die Energie her?

Tequila on my friends, it makes them flirty“, schallte es aus den Boxen quer durch den Saal.

Wie passend, dachte ich – wenn’s ums Feiern geht, war Pink nicht die schlechteste Wahl; jedenfalls besser als die ewig einfallslose Beschallung mit Avicii oder David Guetta. Oder mit dem, was die meisten DJs üblicherweise so auflegten. Dieser hier schien jedoch eine Vorliebe für rocklastige Popmusik, größtenteils aus den 80er Jahren zu haben. Einige Stücke aus den 90ern waren auch dabei. Oh, eine Damenrunde! Der nächste Track kam von Garbage: „Stupid Girl“ – Spitzenidee! Wenn das mal keine Anspielung auf meinen momentanen Geisteszustand war! Aber mir war alles recht, so lange der DJ schnellere Stücke nahtlos ineinander übergehen ließ und nicht auf die Idee kam, „etwas Romantisches für alle Verliebten unter uns“ zu spielen. Solche vermeintlich originellen Einfälle fielen für mich in die Kategorie „unüberbietbare Peinlichkeiten“ und führten in der Regel dazu, dass ich beim leisesten Anflug einer Ballade den gepflegten Rückzug antrat.

Zwar bestand hier diese Gefahr nicht, denn an Garbage schloss sich übergangslos Zola Jesus mit „Seekir“ an. Doch dann versuchte der DJ, mit einem uralten Hit von INXS zu punkten: „To look at you… and never speak… is so good… for me.. tonight…“ Was hatte er sich bloß dabei gedacht, diesen Oldie von 1982 zu spielen? Ein Musikwunsch? Da hielt sich wohl jemand für den absoluten Partyexperten, und mehr Achtziger ging bei diesem Sound nun wirklich nicht. Ja, ich fand die Band auch ganz toll, aber bei dem Text musste ich wieder an die Würgeschlange denken, die ihre Beute nicht mehr aus den Augen lässt und auf den passenden Moment zum Zuschnappen wartet – ein Bild, das ich an diesem Abend schon einmal vor Augen gehabt und das mir schon beim ersten Mal nicht gefallen hatte. Big Brother is watching you…

Wenn jetzt noch das ultimative Lied für Stalker… Bingo. Natürlich hätte ich es wissen müssen. Der DJ war nun endgültig im Eighties-Wahn angekommen und fuhr das volle Programm auf, ohne Rücksicht auf Verluste, denn sonst wäre seine Wahl nicht auf „Every breath you take“ gefallen. Wie ich diesen Song hasste. Erstens verstanden die meisten den Text völlig falsch und zweitens fiel er in die Kategorie, bei der ich mir fest vorgenommen hatte, dass ich verschwinden würde, falls der Plattenaufleger romantische Anwandlungen bekommen würde. Was man an diesem totgedudelten Hit romantisch finden konnte, würde mir wohl für immer ein Rätsel bleiben. Auf jeden Fall aber reichte es mir, und ich signalisierte Mike, dass ich erst mal eine Auszeit an der frischen Luft brauchte. Und nach Möglichkeit bitte alleine, wenn’s ging. Meine Gedanken zu sortieren, fiel mir ohne Ablenkung leichter.

# Writing Friday 2020 – März, 13. Woche : Cut your roses down

 

 

Und wieder ist ein Monat vorbei. Auch das letzte der fünf Themen findet heute seinen Platz beim #Writing Friday – ins Leben gerufen von elizzy – auf ihrem Blog:

4) Erzähle aus der Sicht deines Balkons / deiner Terrasse. Wie sieht es da aktuell aus? Was könnte in den nächsten paar Tagen dort geschehen?

Nicht jeder hat einen Balkon oder eine Terrasse. Aber vielleicht einen Garten, und der soll heute zu Wort kommen.

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Cut your roses down

Treten Sie ein in das traute Heim der Familie S. – Doch bevor Sie das tun, riskieren Sie lieber keinen Blick auf mich: mir, dem Garten der Familie S. , der nicht nur seit dem Sturm „Sabine“ so aussieht, als ob die Familie Flodder sich hier niedergelassen hätte: der Rasen ein ungleichmäßiger Moosteppich, auf dem seit Wochen eine umgestürzte Hollywoodschaukel mit kaputter Überdachung liegt. Klar: Was bereits liegt, kann nicht mehr fallen, aber wenigstens hätten sie sie mal aufrichten können. Okay, wenn so ein mörderschweres Teil nach starkem Wind schon dreimal umgefallen ist, hätte ich auch keine Lust mehr, es wieder hochzuwuchten.

Und dann der Teich. Viel Wasser ist ja nicht mehr drin. Wenn sich da wieder Frösche ansiedeln sollen, dann muss hier mal gründlich entmistet und das Loch repariert werden. Und die Rosenbüsche… mei, ich sag nur „Cut your roses down“. Warum Frau S., die diesen Song ihrer Lieblingsband ständig hört, diesen nicht als Aufforderung zur Gartenarbeit verstehen kann, ist eins der Dinge, die ich nicht begreife. Haben die alle so viel besseres zu tun, oder was? Ich darf mir ständig anhören, wie sich die Nachbarn ihre Mäuler zerreißen. Ja, es sieht übel aus hier, aber es besteht noch Hoffnung, denn Frau S. hat sich bereits Gedanken darüber gemacht, wie sie mich Stück für Stück überholen kann.

Ich sag‘ nur „Schnipp Schnapp – Äste ab“. Die Rosenschere liegt jedenfalls schon bereit.

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Die Schreibthemen im März:

1) Beschreibe einer blinden Person den Frühlingsanfang. +++ 2) Schreibe eine Geschichte und flechte darin folgende Wörter mit ein: Banane, Zahnlücke, kitzeln, Frühlingsbrise, bunt +++ 3) Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz “Mia wollte jetzt noch nicht gehen aber…” beginnt. +++ 4) Erzähle aus der Sicht deines Balkons / deiner Terrasse. Wie sieht es da aktuell aus? Was könnte in den nächsten paar Tagen dort geschehen? +++ 5) Versuche “Sie war glücklich” in einer Szene zu beschreiben, ohne die Wörter “Glück” oder “glücklich” zu gebrauchen.

 

Und hier nochmal die Regeln:

Jeden Freitag wird veröffentlicht. +++ Wählt aus einem der vorgegebenen Schreibthemen. +++ Schreibt eine Geschichte/ein Gedicht/ein paar Zeilen – egal, Hauptsache ihr übt euer kreatives Schreiben. +++ Vergesst nicht, den Hashtag #Writing Friday und den Header zu verwenden, schaut unbedingt bei euren Schreibkameraden vorbei und lest euch die Geschichten durch. +++ Habt Spaß und versucht, voneinander zu lernen.

Die 5 Besten am Donnerstag : Die besten Apokalypse-Filme

 

Das Thema ist düster, die Lage ist ernst – das Ende ist nah!

Nein, nicht in der Realität, denn da lässt das Ende noch lange auf sich warten, sondern in filmischer Hinsicht, bei den 5 Besten am Donnerstag bei passionofarts – welche apokalyptischen Filmszenarien möglich sind, zeigt meine völlig wahllos zusammengestellte Liste:

 

1) Outbreak – Lautlose Killer (1995)

Ein eingeschlepptes mutiertes Ebola-Virus, das sich rasant über die Atemluft ausbreitet. Eine Stadt wird abgeriegelt, es herrscht eine Ausgangssperre, alle kommen in Quarantäne. Und dennoch geht das Sterben weiter. Ärzte versuchen, ein Gegenmittel zu entwickeln, das Militär will dies verhindern, weil das Virus eine neuentwickelte B-Waffe ist. Der Showdown in Form einer über der Stadt abgeworfenen Aerosolbombe droht. Nein, solche Zustände sehne ich mir wirklich nicht herbei.

 

2) Shaun of the dead (2004)

Die Zombie-Apokalypse ist da, und zwei Loser müssen sich durchschlagen. Tu so, als seist Du selbst ein Zombie, und wenn das nicht hilft, bombardiere sie mit LPs aus Deiner umfangreichen Schallplattensammlung. Aber wähle klug, nicht dass Du ein musikalisches Meisterwerk dabei schrottest. Die Lage ist ernst, aber der Film ist es nicht. Man kann ja nicht immer nur dasitzen und sich der Panik ergeben, darum ist diese Komödie in meinen Top Five gelandet.

 

3) The day after – Der Tag danach (1983)

Die atomare Apokalypse, und es gibt kein Entkommen. Und weil alle verstrahlt sind, auch keine Zukunft. Definitiv kein Film, den ich mir jetzt anschauen würde.

 

4) Das siebente Siegel (1957)

Die Endzeitvision im Mittelalter – Seuchen und Pestilenz regieren, und der Tod ist allgegenwärtig, aber er nimmt sich dennoch die Zeit für eine Schachpartie mit einem Kreuzritter, der sich dadurch einen Aufschub erhofft. Das Meisterwerk von Ingmar Bergman ist der einzige Film in Schwarz-Weiß und für mich einer, den ich mir auch trotz der momentanen Situation gerne anschauen würde, wenn ich ein Exemplar davon besitzen würde.

 

5) Mad Max (1979)

Australien wird in einer fernen Zukunft von motorisierten Banden terrorisiert. Die Anarchie ist hier die eigentliche Apokalypse.

Dienstags-Gedudel #9 : Wiederholungstäter

 

Ein Wort vorab: „Gedudel“ ist nicht herabwürdigend gemeint, sondern eine Aktion bei nellindreams, bei der ich gerne mitmache, um all jenen Klängen Raum zu geben, a) die sonst eher selten bei mir zu hören sind, b) mit denen ich die Grenzen meines musikalischen Universums auslosten bzw. meinen Horizont erweitern möchte oder c) die bei mir bekannten Bands nicht ganz so bekannt sind und damit auch schon wieder in die Kategorie a) fallen. Eine vierte Kategorie d) könnte lauten: Songs, die zwar nicht zu denen zählen, die ich üblicherweise höre, aber mir durch ein originelles Video aufgefallen sind. Die Kategorie c) beschäftigt sich heute mit einem Frage- und Antwort-Spiel.

Frage: Was passiert, wenn die Optik von „Matrix“, „Underworld“ und „The Crow“ mit meiner Lieblingsband kollidiert?  —   Antwort: Es entsteht ein Ohrwurm, der mich seit 2019 verfolgt. Wenn man Ohrwürmer ignoriert, werden sie schlimmer, und wenn man versucht, sie ins Archiv zu verbannen, profilieren sie sich als Wiederholungstäter.

Also gibt es nur eins, damit sie nicht weiter „nerven“: Man zerrt sie ins Licht der Öffentlichkeit, auf die Gefahr hin, dass Anwesende dies merkwürdig finden und einen für komplett meschugge erklären Aber damit kann ich leben.

 

Das Gedudel der Woche stammt diesmal von INXS (von wem auch sonst nach dieser Einleitung, ha ha) mit „The Strangest Party (These are the times)“ – https://www.youtube.com/watch?v=jnvM7bBVkto&feature=youtu.be

 

 

 

Media Monday # 456 : Earth Intruders

 

Wir haben die 456. Ausgabe des Media Monday mit seinen sieben Lückentexten erreicht. Bei der 456 muss ich an die Außerirdischen denken, die in „Torchwood : The Children of Earth“ auf unseren Planeten kommen, um sich 10 Prozent aller Kinder dieser Erde zu holen. Den passenden Song dazu liefert Björk mit „Earth Intruders“ (https://www.youtube.com/watch?v=j1Q9ppPPHjU):   

 

Mit dem heutigen Themenschwerpunkt hat beides nicht viel zu tun, denn dieser liegt heute auf „Action“.

Media Monday # 456

1. Einer meiner All-Time-Favourite-Actionfilme ist „Stirb Langsam“.


2. Was ich in punkto Action allerdings überhaupt nicht mehr sehen kann: Wenn der Film dazu genutzt wird, um den heroischen Einsatz der Army, der Navy oder der Seals zu feiern.


3. Eine einzelne Person oder eine kleine Gruppe gegen den Rest der Welt ist auch so ein Klischee, das in beinahe jedem Film bemüht wird, wobei ich bei dem Film „Tomorrow, when the war began“ bis zum Abspann mit den Jugendlichen mitgefiebert habe – die stellen nach der Rückkehr von ihrem Campingausflug ins australische Outback fest, dass Australien einer Invasion zum Opfer gefallen ist und die Einwohner ihrer Stadt interniert worden sind. (https://www.youtube.com/watch?v=jpoOMz2TE48

 


4. Ein gutes Beispiel, wo nicht nur mitreißende Inszenierung, sondern auch gelungene Geschichte Hand in Hand gehen ist „Kill Bill“, wenn wir schon beim Thema bleiben wollen.


5. Ansonsten lässt sich Action ja auch wunderbar mit anderen Genres kombinieren und spontan fällt mir da sofort R.E.D. – Älter, Härter, Besser ein, schließlich laufen in dieser Agentenkomödie die sichtlich in die Jahre gekommenen Stars wie Helen Mirren, John Malkovic, Bruce Willis und Morgan Freeman zu ihrer Hochform auf. Tja, nicht immer haben Rentner einen beschaulichen Lebensabend.


6. Hingegen von Once upon a time in Hollywood hätte ich mir doch deutlich mehr erwartet beziehungsweise ich verstehe nicht, wieso der ansonsten so gefeiert wird, denn mir fehlte darin eine Handlung, die mich fesselt. Da konnte auch die letzte halbe Stunde völlig übertriebenen Gemetzels für mich auch nichts mehr reißen.


7. Zuletzt habe ich mich mit dem Hochladen des ersten Kapitels eines 54teiligen Fortsetzuungsromans aus meiner Comfort Zone gewagt, und das war einerseits aufregend, weil das für mich etwas ganz Neues ist, aber andererseits auch etwas anstrengend, weil ich ewig gebraucht habe, den Text in Abschnitte von sinnvoller Länge einzuteilen und bei der Gelegenheit letzte Fehler zu eliminieren. Das einzige, was mich daran nervt, ist meine Unfähigkeit, das Beitragsbild zu verkleinern – das ist ja fast so lang wie der gesamte Text.

 

„Broken Strings“ : Chapter 1 – Work and Travel I

 

 

Keep calm and drink this …“ – der Typ neben mir auf dem Sofa redete auf mich ein, aber ich verstand nicht, was er sagte.

Ich sah mich immer noch auf dem dreckigen Boden und über dem Mann knien, der mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden gegangen war und nun keinen Mucks mehr von sich gab. Mir wurde siedend heiß, denn so eine Situation hatte ich gerade erst erlebt. Electric fencing! Die Tücken des Stroms, die auf einen lauern, wenn man zu dritt einen defekten Elektrozaun wieder in Ordnung bringen soll. Dabei hatte man uns doch eingeschärft, was wir machen sollten, für den Fall, dass es mal einen von uns erwischen sollte.

Nun lag unser Kollege am Boden und rührte sich nicht. Wie paralysiert hatten wir auf ihn hinunter gestarrt und wertvolle Sekunden verstreichen lassen. Meinem Kollegen war zwar dann doch noch eingefallen, was in einem solchen Fall zu tun war, aber dieser Stromschlag war dann doch zu heftig gewesen, und der Junge, den es erwischt hatte, war nicht wieder zu sich gekommen. Er hatte das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Manche Erlebnisse wird man nie los. Im Gegensatz zu den damit verbundenen Jobs. Gestorben war Robbie nicht, wie ich später erfuhr, aber dass sie statt Jack und mir trotz der irreparablen Schäden lieber dem Zaunhersteller die Schuld gaben, tröstete mich auch nicht. Und nun hier, in dieser Bar… Dabei hatte der Mann nicht die geringste Ähnlichkeit mit meinem jungen Kollegen von damals. Allerdings war „damals“ ein dehnbarer Begriff.

Mark, so hieß der Typ neben mir auf dem Sofa, hielt mir einen Becher mit Kaffee unter die Nase – normalerweise mein Lebenselixier, aber ich fühlte mich wie tot. So tot wie der Mann, dem ich trotz aller Wiederbelebungsversuche doch nicht hatte helfen können; dass ich diesen Alptraum ein zweites Mal erleben würde, damit hatte ich nicht gerechnet, und vermutlich auch außer mir niemand sonst.

… bevor du auch noch umkippst…“

So langsam begann das Getränk, seine Wirkung zu entfalten. Das war wirklich sehr aufmerksam von ihm, und vermutlich sollte ich ihm für seine Fürsorglichkeit danken; dennoch konnte ich keinen klaren Gedanken fassen, und mich fröstelte, trotz der Decke, die er um meine Schulter gelegt hatte. Weiß der Geier, aus welchem Kellerloch er das Ding hervorgeholt hatte, denn es roch muffig und kratzte obendrein wie Hulle … Decke? Was zum… ! Mein Tunnelblick ging in Richtung Tresen, der einige Meter entfernt war und an dem ständig Leute vorbeiliefen. Der Haken unter der Theke: leer. Abgeräumt. Das gleiche Bild unter dem Barhocker, wo ich meine Schuhe abgestreift hatte, weil mir die Füße nach der vielen Lauferei und wegen der Wärme in dem Laden hier entsetzlich gequalmt hatten… nichts. Gähnende Leere. Bei der letztendlich missglückten Rettungsaktion hatte ich sie nicht vermisst.

Wer auch immer sie geklaut hatte, um die Schuhe ging es mir noch nicht mal – aber in der Jacke war mein letztes Geld gewesen. Wenigstens hatte ich den Schlüssel zu meinem Hostel noch, weil ich so clever gewesen war, ihn in den Taschen meiner Jeans zu verstauen, da wo ich auch ein paar vereinzelte Scheine und Münzen aufbewahrte. Die würden vielleicht gerade noch reichen, meine Drinks hier zu bezahlen, und das Zimmer. Aber morgen früh wäre dann Schluss mit lustig. Ich hätte längst weg sein sollen, doch das ging nicht mehr, denn wohin ich auch blickte, überall war Securitypersonal. Ob sie hofften, den Feigling, der den Tumult ausgenutzt hatte, um mich zu bestehlen, doch noch zu kriegen? Die Polizei war längst fort; man hatte meine Personalien aufgenommen, und das war’s dann auch schon. Den Diebstahl hatte ich erst hinterher bemerkt.

Inzwischen hatte auch Mark mitbekommen, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich mache nur ungern aus meinem Herzen eine Mördergrube, außerdem war ich an dem Punkt angekommen, an dem ich nichts mehr zu verlieren hatte, also konnte ich ihm auch genauso gut erzählen, was passiert war. Aber was gab es da schon groß zu berichten? Fasse dich kurz, war das Motto meiner Eltern gewesen, die es wiederum von meiner Oma hatten, und in meinem Fall bedeutete das: Mich schamlos zu beklauen, war der Dank dafür, dass ich mich da unten auf dem Boden abgemüht hatte, und dann auch noch völlig umsonst. Was Mark genau wie alle anderen bestimmt schon längst mitbekommen hatte. Wie alle anderen? Tatsächlich gab es jemanden, der während der ganzen Aktion nicht dabei gewesen war. Nein, nicht der Dieb, der bestimmt längst über alle Berge war, sondern jemand, den Mark genauer zu kennen schien.

„Hey, Mitchell“, rief er ihm zu, als der die Treppe herunterkam, „komm doch kurz rüber und mach dich mal nützlich.“

‚So slide over here and give me a moment‘, das hätte man auch netter sagen können; aber der rustikale Tonfall schien dem anderen nichts auszumachen. Völlig entspannt kam er auf uns zu; der ihn umgebenden Wolke nach zu urteilen, hatte er gerade eine längere Zigarettenpause hinter sich. Na prima, wenn ich Mark richtig verstanden hatte, sollte sich sein Best Buddy um mich kümmern, weil er dringend telefonieren musste. Was Mitchell dabei sollte, war mir schleierhaft – eigentlich war ich inzwischen so weit, dass ich auch genauso gut meine Drinks bezahlen und ohne großes Aufsehen verschwinden konnte.

Einen günstigeren Moment als diesen würde ich nicht mehr erwischen: Mark hatte ihn zur Seite genommen, um ihn über die Situation ins Bild zu setzen. Mist – zu spät, jetzt starrten mich beide an. Mark drückte Mitchell ein Glas in die Hand, zeigte in meine Richtung und schickte seinen Freund zurück zu mir. Prompt ließ der sich auf den freigewordenen Platz neben mir auf dem Sofa fallen und reichte das Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit an mich weiter. Mißtrauisch schnüffelte ich daran. Ginger Ale war das nicht. Yo, klar – macht mich nur betrunken; füllt mich ruhig bis zum Filmriss ab, vielleicht vergesse ich dann schneller…